Mein erster Beitrag im Rahmen dieser Seite befasst sich mit einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, bei dessen gesetzlicher Normierung der Gesetzgeber sicherlich noch nicht an die unzähligen Möglichkeiten des technischen Fortschritts, des Internets und insbesondere der Social Media Plattformen gedacht hat. Während Facebook für viele von uns schon fast ein „alter Hut“ ist, entdecken manche Arbeitgeber diese Plattform gerne als Möglichkeit, das eigene Unternehmen ins rechte Licht zu rücken, Fotos und News zu posten, aber auch, um Besucher der Seite oder Kunden zu eigenen Beiträgen zu animieren. Diese Möglichkeit nutzte auch eine Arbeitgeberin, die in Transfusionszentren Blutspenden entgegennimmt, verarbeitet und veräußert, und die konzernweit ca. 1.300 Arbeitnehmer beschäftigt.

Im April 2013 eröffnete die Arbeitgeberin die streitbefangene Seite auf Facebook. Im Rahmen dieses Auftritts ermöglichte es die Arbeitgeberin interessierten Facebook-Nutzern, insbesondere auch Blutspendern, Kommentare (sog. Postings) abzugeben. Diese wurden dann auf einer virtuellen Pinnwand eingestellt und konnten von allen Facebook-Nutzern angesehen bzw. kommentiert werden. Dazu gehörte auch die Kennzeichnung mit einem „Gefällt mir“, einem sog. „Like“. Die Facebook-Seite der Arbeitgeberin wird von einer Gruppe von ca. 10 Mitarbeitern betreut, die neben der allgemeinen Pflege der Seite insbesondere mit der Einstellung von Informationen und der Kommentierung von Postings befasst sind, indem sie sich auf die Seite aufschalten.

Bei den von der Arbeitgeberin durchgeführten Spenderterminen wurden Flugblätter ausgeteilt, in denen die Spender auf den Facebook-Auftritt hingewiesen wurden. Am 15.04.2013 kommentierte ein Nutzer der Facebook Seite auf der Pinnwand seinen Blutspende-Termin vom Vortag wie folgt: „Ich war am 14. April 2013 in N. mein kostbares abzapfen lassen. Gehe schon spenden seit ich 18 bin. Muss aber sagen die gestern die Nadel gesetzt hat, solle es noch lernen. Stechen kann die nicht.“

Zwei Monate später ging ein Kommentar eines Facebook Nutzers über einen Arzt ein. Darin warf der Nutzer dem Arzt vor, er habe die Untersuchung vor der Blutabnahme nicht regelrecht vorgenommen. Eine ältere Spenderin sei daraufhin beinahe kollabiert und habe per Infusion stabilisiert werden müssen.

Der bei der Arbeitgeberin gebildete Konzernbetriebsrat war der Ansicht, die Arbeitgeberin verletze durch die Einrichtung und den Betrieb der Facebook-Seite sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG („Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen“). Ihm stehe ein Unterlassungsanspruch zu, denn die Möglichkeit, dass Facebook-Tschüss Nutzer sich kritisch über die Beschäftigten während der Spendetermine äußern könnten, stelle eine Überwachung der Beschäftigten dar, weshalb diese Maßnahme mitbestimmungspflichtig sei. Der Betrieb der Seiten diene nämlich nicht nur als Maßnahme zur technischen Verhaltens- und Leistungskontrolle, sondern auch zur Verhaltenssteuerung.

Das LArbG Düsseldorf[1] verneinte einen Unterlassungsanspruch des Konzernbetriebsrats mit der Begründung, es fehle an einer Aufzeichnung durch eine technische Einrichtung. Die Überwachung müsse nämlich – so das LArbG – durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden. Die Tatsache, dass der Arbeitgeber mit den Facebook-eigenen Möglichkeiten gezielt nach negativen Einträgen suchen könne, führe nicht dazu, dass der Arbeitgeber eine technische Einrichtung betreibe.

Vor dem ersten Senat des BAG[2] hatte die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hingegen teilweise Erfolg. Nach Ansicht des BAG unterliegt die Entscheidung der Arbeitgeberin, Postings unmittelbar zu veröffentlichen, die sich nach ihrem Inhalt auf das Verhalten oder die Leistung einzelner Beschäftigter beziehen, der Mitbestimmung durch den Betriebsrat. Denn soweit sich diese Postings auf das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern beziehen, führt dies dazu, dass Arbeitnehmer durch eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG überwacht werden.

In der Tat kann man zusammen mit dem LArbG Düsseldorf in Zweifel ziehen, ob eine Facebook Seite eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG darstellt. Andererseits hat – wie eingangs bereits erwähnt – der technische Fortschritt mittlerweile zu einer Vielzahl neuer Einrichtungen geführt, die, wenn auch nicht immer zielgerichtet, so zumindest jedoch bei Gelegenheit ihrer Nutzung, zur Überwachung der Arbeitnehmer eines Betriebs führen, so zum Beispiel die automatische Erfassung von Telefondaten oder -gebühren[3], als noch niemand an Mobiltelefone am Arbeitsplatz dachte, oder das Arbeiten mit Firmensoftware, die mit dem Einloggen automatisch aufzeichnet, welcher Arbeitnehmer sich wann im System aufhältt (statt der herkömmlichen Zeiterfassung), oder die GPS-Erfassung von Firmenfahrzeugen, beispielsweise von Transportunternehmen, mit deren Hilfe der Kunde in Echtzeit die Auslieferung seines Paketes mitverfolgen kann, die allerdings bei entsprechender Auswertung auch zur Überwachung des jeweiligen Fahrers genutzt werden kann.

Jedoch ist es ausreichend, dass eine Einrichtung objektiv zur Überwachung der Arbeitnehmer geeignet ist.[4] Dies lässt sich bei Facebook nicht leugnen, wenn Patienten bzw. Kunden durch Flugblätter geradezu animiert werden, ihren Kommentar über die Qualität der Arbeitsleistung einzelner Arbeitnehmer öffentlich zu machen.

[1] LArbG Düsseldorf, Beschluss vom 12.01.2015 – 9 TaBV 51/14 –, juris

[2] BAG, Beschl. v. 13.12.2016 – 1 ABR 7/15 – derzeit nur als Pressemitteilung Nr. 64/16 verfügbar.

[3] BAG, Beschl. v. 27.05.1986 – 1 ABR 48/84 – NZA 86, 643.

[4] BAG, Beschl. v. 29.06.2004 – 1 ABR 21/03 – juris.

 

Erschienen bei juris, AnwZert ArbR 1/2017 Anm. 1