Manche Arbeitnehmer unterschreiben einen Aufhebungsvertrag spontan, unter Druck und/oder in Unkenntnis der sich an die Aufhebungsvereinbarung anknüpfenden Folgen, gerade in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht.

Nach anwaltlicher Beratung kommen viele betroffene Arbeitnehmer sodann zu dem Schluss, sie hätten den Aufhebungsvertrag besser nicht unterzeichnet. Eine Möglichkeit, die Wirkungen der Aufhebungsvereinbarung zu beseitigen, ist die Anfechtung. In Betracht kommen hier in der Regel die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1, 1. Alt. BGB) oder Drohung (§ 123 Abs. 1, 2. Alt. BGB) sowie die Irrtumsanfechtung (§ 119 Abs. 1 BGB).

In einer vom LArbG Köln[1] zu treffenden Entscheidung (es ging um die Bewilligung von PKH) hatte der Kläger, der aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags als „Aushilfe in der Postversandstraße“ bei der Beklagten mit einer Kündigungsfrist von einem Tag beschäftigt war, am 18.11.2016 eine Aufhebungsvereinbarung unterzeichnet, die auszugsweise wie folgt lautet:

„§ 1 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis aus gesundheitlichen Gründen mit Ablauf des 30.11.2016 auf Veranlassung des Arbeitgebers einvernehmlich enden wird. […]

  • 5 sozialversicherungsrechtliche Hinweise

Der Arbeitnehmer wird darauf hingewiesen, dass der Abschluss des Aufhebungsvertrags sozialversicherungsrechtliche Folgen haben kann, insbesondere beim Bezug von Arbeitslosengeld (Sperrzeit/Ruhen des Anspruchs). Abschließende rechtsverbindliche Auskünfte sind den jeweiligen Sozialversicherungsträgern vorbehalten (Bundesagentur für Arbeit u. a.). […]“.

Nachdem der Kläger am 07.12.2016 eine anwaltliche Beratung in Anspruch genommen hatte, kam er anscheinend zu dem Ergebnis, dass die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags ein Fehler war. Sein Prozessbevollmächtigter verfasste daher am 08.12.2016 eine Klageschrift, die am 12.12.2016 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen und der Beklagten am 30.12.2016 zugestellt worden ist.

In dieser Klageschrift erklärte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten die Anfechtung seiner „Zustimmung zum Aufhebungsvertrag jedenfalls wegen Irrtums, wenn nicht sogar auf Grund arglistiger Täuschung“.

Der Kläger trug vor, der Anfechtungsgrund ergebe sich daraus, dass ein Mitarbeiter der Personalabteilung, der ihn zu Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung veranlasst habe, erklärt habe, dass er den Vertrag mit eintägiger Frist kündigen könne, der Kläger jedoch beim Jobcenter auf der sicheren Seite sei, wenn er den Aufhebungsvertrag unterzeichne.

Nach Ansicht des LArbG Köln hatte das Arbeitsgericht Köln die für die Gewährung der PKH erforderliche Erfolgsaussicht zu Recht verneint. Eine Anfechtung der Willenserklärung des Klägers wegen arglistiger Täuschung scheiterte bereits daran, dass kein Anfechtungsgrund vorlag. Der Kläger habe nämlich nicht behauptet, über die Rechtsfolge des Aufhebungsvertrags getäuscht worden zu sein. Selbst wenn der Vertreter der Beklagten gegenüber dem Kläger geäußert haben sollte, mit Abschluss eines Aufhebungsvertrags stehe der Kläger gegenüber dem Jobcenter besser da als im Falle einer Kündigung, liegt darin nach Ansicht des LArbG Köln keine zur Anfechtung berechtigende arglistige Täuschung. Denn § 5 des Aufhebungsvertrags enthält den Hinweis, dass der Abschluss des Aufhebungsvertrags sozialversicherungsrechtliche Folgen nach sich ziehen kann. Der Kläger konnte daher nicht darauf vertrauen, dass dies im Hinblick auf das Jobcenter als Sozialleistungsträger nicht gelten würde. Denn nach Ansicht des LArbG Köln liegen die nachteiligen Folgen im Falle der freiwilligen Aufgabe eines Arbeitsverhältnisses sozusagen „auf der Hand“.

Zudem fehle es jedenfalls an einem arglistigen Verhalten der Beklagten. Arglist im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB liegt nämlich vor, „wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim Erklärungsgegner entstehen oder aufrechterhalten werden“.[2] Fahrlässigkeit – auch grobe Fahrlässigkeit – genügt insoweit nicht. Hinzu kommt, dass der Anfechtende die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt, selbst wenn es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt.[3] Der Anfechtende müsse daher Umstände vortragen, aus denen sich ergeben könnte, dass der Beklagten etwaige Nachteile bekannt gewesen sind, die ihm durch den Abschluss des Aufhebungsvertrags gegenüber dem Jobcenter entstehen können. Eine diesbezügliche Erklärung des Klägers könne eigentlich nur ins Blaue hinein erfolgen und sei demzufolge prozessual unbeachtlich. Denn dränge sich – so das LArbG Köln – die Verhängung einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I noch auf, so könnten etwaige Nachteile für den Bezug von Arbeitslosengeld II, die dadurch entstehen, dass ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz freiwillig aufgibt, „nicht als allgemein bekannt unterstellt werden“.[4]

Eine Irrtumsanfechtung gemäß § 119 Abs. 1 BGB scheiterte nach Ansicht des LArbG Köln daran, dass die Anfechtung nicht unverzüglich erfolgte. Die Anfechtungserklärung des Klägers war nämlich in der Klageschrift enthalten. Trotz der zeitnahen Fertigung der Klageschrift am 08.12.2016 und Eingang der Klageschrift bei Gericht am 12.12.2016 wurde diese der Beklagten aber erst am 30.12.2016 zugestellt. Gemäß § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB muss die Anfechtung jedoch unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, nach Kenntniserlangung des Anfechtungsgrundes durch den Anfechtungsberechtigten erfolgen. Im vorliegenden Fall lagen zwischen Kenntniserlangung und Zugang der Anfechtungserklärung mehr als drei Wochen. Die Anfechtung war somit nicht mehr unverzüglich.

Die Anfechtung ist innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist zu erklären[5]. Zwar regelt § 121 Abs. 1 Satz 2 BGB: „Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.“ Jedoch ist diese Voraussetzung nur dann erfüllt, „wenn die Anfechtungserklärung zum Zweck und mit der Bestimmung des unverzüglichen Transports an den Anfechtungsgegner weggegeben wird.“[6] Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die Anfechtungserklärung mittels Klageschrift übermittelt wird und diese dem Anfechtungsgegner durch das Gericht erst zugestellt werden muss.[7]

Die analoge Anwendung des § 167 ZPO, nach dem die Wirkungen der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage zurück zu beziehen sind, kommt vorliegend nach Ansicht des Gerichts nicht in Betracht. Denn das Schutzbedürfnis derer, die für die Wahrung einer Frist auf die Mitwirkung des Gerichts angewiesen sind, entfällt dann, wenn es um die Frist des § 121 BGB geht. Diese kann nämlich auch durch die Absendung eines einfachen Briefs gewahrt werden.

Die Versendung einer Anfechtungserklärung per Brief vor Klageerhebung ist daher in aller Regel ausreichend, jedoch auch erforderlich, um die Unverzüglichkeit der Anfechtung zu gewährleisten. Hierbei sollte die Nachweisbarkeit des Zugangs der Anfechtungserklärung sichergestellt werden.

[1] LArbG Köln, Beschl. v. 29.06.2017 – 4 Ta 125/17 – juris.

[2] LArbG Köln, Beschl. v. 29.06.2017 – 4 Ta 125/17, Rn. 39.

[3] BAG, Urt. v. 11.07.2012 – 2 AZR 42/11 – Rn. 22 – juris.

[4] LArbG Köln, Beschl. v. 29.06.2017 – 4 Ta 125/17, Rn. 39.

[5] BGH, Beschl. v. 10.06.2015- IV ZB 39/14 -, Rn. 6, juris.

[6] LArbG Köln, Beschl. v. 29.06.2017 – 4 Ta 125/17, Rn. 43.

[7] BVerwG, Urt. v. 10.03.2010 – 6 C 15/09 -, Rn. 23, juris; BGH, Urt. v. 11.10.1974 – V ZR 25/73 -, Rn. 15, juris; Staudinger/Singer, BGB, Neubearbeitung 2017, § 121 Rn. 11

 

Erschienen im: AnwZert ArbR 16/2017 Anm. 1