Bekanntermaßen genießt ein Arbeitnehmer grundsätzlich dann Kündigungsschutz im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes, wenn sein Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat (§ 1 Abs. 1 KSchG) und der Arbeitgeber i.d.R. mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne des § 23 KSchG beschäftigt.

Arbeitnehmer in sog. Kleinbetrieben sind jedoch nicht völlig schutzlos gestellt. Denn es gibt noch den § 242 BGB. Der in § 242 BGB niedergelegte Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslage und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung, so das LArbG Rheinland-Pfalz.[1] Eine Rechtsausübung, die gegen diesen Grundsatz verstößt, ist wegen der darin liegenden Rechtsüberschreitung unzulässig.

Auf Kündigungen ist § 242 BGB allerdings neben § 1 KSchG nur eingeschränkt anwendbar. Es ist nämlich davon auszugehen, dass das Kündigungsschutzgesetz bereits die Grundsätze von Treu und Glauben konkretisiert und im Hinblick auf Kündigungen und unter Berücksichtigung des Interesses eines Arbeitnehmers auf Erhaltung seines Arbeitsplatzes abschließend geregelt hat. Eine Kündigung kann daher nur dann die Grundsätze von Treu und Glauben verletzen, wenn sie aus Gründen erfolgt, die von § 1 KSchG nicht erfasst werden, beispielsweise bei Willkür oder sachfremden Kündigungsmotiven. Auch hat der Arbeitgeber eines Kleinbetriebs das durch langjährige Mitarbeit erdiente Vertrauen eines Arbeitnehmers in den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen.

Liegt hingegen irgendein nachvollziehbarer und einleuchtender Grund für den Ausspruch der Kündigung vor, kann dem Arbeitgeber eines Kleinbetriebs der Vorwurf willkürlicher, sachfremder oder diskriminierender Ausübung des Kündigungsrechts nicht gemacht werden.

In dem vom LAG Rheinland-Pfalz zu entscheidenden Fall war die Klägerin im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs erst 10 Monate bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von zunächst 12, später 8 Stunden, im Kleinbetrieb der Beklagten beschäftigt. Während ihrer Beschäftigungsdauer war die Klägerin wiederholt arbeitsunfähig erkrankt, u.a. einmal zwei Monate von Februar bis April 2015 sowie vom 20.07.2015 bis 15.08.2015. Die Klägerin war in der Praxis der Beklagten überwiegend im Labor tätig. Seit Anfang Juli 2015 war bei der Beklagten im Bereich der medizinischen Assistenz eine neue Mitarbeiterin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt. Im Kündigungsschreiben hieß es, dass die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen notwendig sei. Denn die krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin hätten zu erheblichen betrieblichen Schwierigkeiten geführt. Aufgrund der Notwendigkeit der Fortführung der Labortätigkeiten auch während der krankheitsbedingten Abwesenheit der Klägerin mussten diese Tätigkeiten unter Vornahme einer weiteren Einstellung auf andere Mitarbeiterinnen verteilt werden. Damit wurde die Kündigung auf Gründe gestützt, die dem Kündigungsschutz unterfallen würden, wenn das KSchG im vorliegenden Fall greifen würde. Eine Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben scheidet daher aus. Die Beklagte hat damit nämlich ihre Kündigung mit Gesichtspunkten untermauert, die den personen- bzw. betriebsbedingten Gründen zuzurechnen gewesen wären.

Die Kündigung war nach Ansicht des LAG auch nicht deswegen treuwidrig, weil die Beklagte sich auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin gestützt hatte und nach der gesetzgeberischen Intention einem Arbeitgeber pro Jahr eine wirtschaftliche Belastung durch Entgeltfortzahlungskosten im Umfang von sechs Wochen zugemutet werden könnten. Denn der Gesetzgeber hat dieser Problematik durch § 8 EFZG Rechnung getragen. Hiernach wird der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall nicht dadurch berührt, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt. Diese Vorschrift wäre nämlich überflüssig – so das LArbG Rheinland-Pfalz – wenn einer auf Arbeitsunfähigkeit gestützte Kündigung gemäß § 242 BGB unwirksam wäre.[2]

Auch der Gesichtspunkt der Enttäuschung des langjährig erdienten Vertrauens in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses kam angesichts der kurzen Beschäftigungsdauer der Klägerin im vorliegenden Fall nicht zum Tragen.

Das BAG äußerte sich in Fällen, in denen Arbeitnehmer sich auf einen Verstoß gegen § 242 BGB berufen haben, wie folgt: Für den Anwendungsbereich des § 242 BGB bleiben im Wesentlichen nur Sachverhalte, in denen eine Kündigung auf willkürlichen, widersprüchlichen oder auf sachfremden Motiven beruht.[3] Der Vorwurf willkürlicher, sachfremder oder diskriminierender Ausübung des Kündigungsrechts scheidet dagegen aus, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Rechtsausübung vorliegt.[4]

In diesem Zusammenhang hat das BAG im Übrigen auch festgehalten, dass die Wirksamkeit einer Kündigung aus Gründen in dem Verhalten des Arbeitnehmers außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes in der Regel nicht voraussetzt, dass dem Arbeitnehmer zuvor eine vergebliche Abmahnung erteilt wurde.[5]

[1] LArbG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 26.08.2016 – 1 Sa 89/16 – juris.

[2] So auch schon das LArbG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 30.08.2007 – 2 Sa 373/0 7 – juris.

[3] BAG, Urt. v. 21.02.2001 – 2 AZR 579/99 –, BAGE 97, 141-150, Rn. 18 – juris.

[4] vgl. BAG Urt. v. 25.04.2001 – 5 AZR 360/99 – AP BGB § 242 Kündigung Nr. 14 = EzA BGB § 242 Kündigung Nr. 4 – juris.

[5] BAG, Urt. v. 21.02.2001 – 2 AZR 579/99 –, BAGE 97, 141-150 – juris.

 

Erschienen im: AnwZert ArbR 22/2016 Anm. 1