E-Mails sind nicht sicher. Das ist nichts Neues und jeder Datenschutzbeauftragte kann hierzu einen langen Vortrag halten. E-Mails sind jedoch auch in anderer Weise nicht sicher. Sie stellen nämlich ohne besondere Vorkehrungen keinen zuverlässigen Versand einer Nachricht sicher. Dies hat insbesondere Auswirkungen auf den Zugang von Willenserklärungen, wie das LArbG Köln1 in einem aktuellen Verfahren festgestellt hat.
Hintergrund des Verfahrens war, dass die Beklagte aufgrund einer Schulungsvereinbarung mit dem Kläger, einem Piloten, gezwungen war, diesem innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Schulung die Übernahme in ein Cockpit-Arbeitsverhältnis anzubieten. Würde ein solches Angebot innerhalb der Frist nicht erfolgen, sollte die Beklagte auf die Rückzahlung des darlehensweise gewährten Eigenanteils des Klägers an der Schulung i.H.v. 60.000 Euro verzichten.
Es kam, wie es kommen musste. Die Frist zum Angebot des Arbeitsvertrags endete am 26.10.2018. Neben einem postalischen Angebotsschreiben, das dem Kläger unstreitig am 27.10.2018 zuging, behauptete die Beklagte, dem Kläger auch noch eine E-Mail am 25.10.2018 mit einem Arbeitsvertragsangebot zugesandt zu haben. Der Kläger bestritt, eine solche E-Mail am 25.10.2018 erhalten zu haben. Vielmehr habe ihn eine solche E-Mail am 28.10.2018 erreicht.
Das LArbG Köln bestätigte dem Kläger auf dessen Klage hin, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die Rückzahlung des Eigenanteils des Klägers zu verzichten. Denn die Beklagte habe dem Kläger die Übernahme in ein Cockpit-Arbeitsverhältnis nicht fristgerecht angeboten. Die Beklagte konnte nicht nachweisen, dass ihre E-Mail vom 25.10.2018 dem Kläger zugegangen ist.
Zur Darlegungs- und Beweislast des Zugangs einer E-Mail werden hierbei unterschiedliche Auffassungen vertreten. Im Jahr 2008 hat das AG Frankfurt2 entschieden, dass für den Absender einer E-Mail der Beweis des ersten Anscheins spreche, dass die von ihm versandte E-Mail auch beim Empfänger eingegangen sei, sofern er nicht eine Rücksendung als unzustellbar erhalten habe. Eingegangen sei eine E-Mail beim Empfänger jedenfalls dann, wenn sie auf dem Server des Empfängers oder seines Providers abrufbar gespeichert sei.
Nach der neueren Rechtsprechung, der sich auch das LArbG Köln anschloss, begründet allein die Absendung einer E-Mail keinen Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger.3 Dies gelte auch für das Sendeprotokoll.4 Denn gemäß § 130 BGB müsse eine unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung dem Empfänger zugehen. Wie jedoch bei einer Postsendung könne es bei der E-Mail technisch möglich sein, dass die Nachricht nicht beim Empfänger ankomme und nicht auf dem Server eingehe. Dieses Risiko dürfe nicht im Empfänger aufgebürdet werden. Denn es sei schließlich der Versender, der die Art der Übermittlung der Willenserklärung und damit auch das Risiko, dass die Nachricht womöglich nicht ankomme, wähle. Der Versender habe vielmehr auch die Möglichkeit, dieses Risiko zu minimieren. Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten auch wirklich erreicht habe, habe der Versender – so das LArbG Köln – über die Optionsverwaltung eines E-Mail-Programms die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern.5
Die Anforderung einer Lesebestätigung oder den Zugang der E-Mail nebst Anlagen hatte die Beklagte im vorliegenden Fall jedenfalls nicht dargelegt. Das Bestreiten des Zugangs der E-Mail mit Nichtwissen durch die Beklagte war aus Sicht des Landesarbeitsgerichts nicht zulässig. Denn die Voraussetzung einer zulässigen Erklärung mit Nichtwissen ist, dass die Partei für die jeweiligen Tatsachen nicht darlegungs- und beweisbelastet ist.6
1) LArbG Köln, Urt. v. 11.01.2022 – 4 Sa 315/21.
2) AG Frankfurt, Urt. v. 23.10.2008 – 30 C 730/08-25 – MMR 2009,507, 507.
3) LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.08.2018 – 2 Sa 403/18 Rn. 39; Arnold in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 130 Rn. 33.
4) Einsele in: MünchKomm BGB, 9. Aufl. 2021, § 130 Rn. 47.
5) So auch BGH, Beschl. v. 17.07.2013 – I ZR 64/13 Rn. 11.
6) BGH, Urt. v. 02.07.2009 – III ZR 333/08 – NJW-RR 2009, 1666.
(AnwZert ArbR 2022)