Oft sind es die kleinen Fragen des juristischen Lebens, die große Auswirkungen haben können.

Wie schnell hat jeder von uns schon einmal ein paar einleitende Sätze an das Gericht formuliert, nachdem endlich mit viel Mühe ein Vergleich zustande gekommen ist, der nunmehr im schriftlichen Verfahren geschlossen werden soll. § 278 Abs. 6 ZPO ist allerdings komplex und bietet mehrere Wege zum Vergleichsschluss.

§ 278 Abs. 6 ZPO lautet:

„Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.“

So kann es passieren, dass sich eine Partei bei der Formulierung ihrer Bitte an das Gericht zur Vorgehensweise nach § 278 Abs. 6 ZPO mehr Gedanken gemacht hat, als es dem Gericht erscheint. Schlimmstenfalls liegen dann die formellen Voraussetzungen für eine Vergleichsfeststellung nach § 278 Abs. 6 ZPO gar nicht vor – so geschehen in dem vom LArbG Erfurt zu entscheidenden Fall.1

Die Beklagte hatte das Gericht mit Schriftsatz vom 22.02.2023 gebeten, den Parteien im schriftlichen Verfahren gemäß § 278 Abs. 6 Alt. 2 ZPO einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten, dessen 28 Ziffern die Beklagte auch bereits in ihrem Schriftsatz ausformuliert hatte. Daraufhin unterbreitete das Gericht den Parteien am 22.02.2023 einen Vergleichsvorschlag gleichen Inhaltes. Gleichzeitig wies es darauf hin, dass dieser Vergleich wirksam werde, wenn er von den Parteien durch Schriftsatz an das Gericht bis zum 10.03.2023 angenommen werde. Kurz darauf teilte die Klägerin mit Schriftsatz vom 28.02.2023 ebenfalls mit, dass sich die Parteien außergerichtlich geeinigt hätten und bat das Gericht unter Mitteilung der identischen 28 Vergleichsziffern darum, dass Zustandekommen des Vergleichs durch Beschluss festzustellen. Mit Schriftsatz vom 01.03.2023 nahm die Klägerin den Vergleichsvorschlag des Gerichts vom 22.02.2023 an, woraufhin das Gericht mit Beschluss vom 01.03.2023 das Zustandekommen des Vergleichs feststellte. Nachdem die Beklagtenseite telefonisch nachgefragt hatte, wies das Gericht mit gerichtlichem Schreiben vom 06.03.2023 darauf hin, dass die gerichtliche Feststellung nach § 278 Abs. 6 Alt. 1 ZPO erfolgt sei. Mit ihrem Antrag vom 09.03.2023 begehrte die Beklagte die Berichtigung des Beschlusses vom 01.03.2023, erklärte vorsorglich die Anfechtung des Vergleichs und beantragte hilfsweise die Aufhebung des Beschlusses vom 01.03.2023. Denn das Gericht habe fälschlicherweise das Zustandekommen des Vergleichs festgestellt. Dies begründete sie damit, dass sie ausdrücklich um ein Vorgehen des Gerichts nach der zweiten Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO gebeten habe. Sie selbst habe bislang den Vergleichsvorschlag noch nicht angenommen, weshalb der Vergleich nicht zustande gekommen sei und dies deshalb auch nicht festgestellt werden könne. Die Klägerseite vertrat die Ansicht, dass die Parteien sich außergerichtlich geeinigt hätten. Ihre eigene Annahmeerklärung sei nur aus Gründen anwaltlicher Vorsicht erfolgt, denn durch die zuvor erfolgte Einreichung der wechselseitigen Schriftsätze seien bereits alle notwendigen Erklärungen für einen Vergleichsschluss abgegeben worden.

Das LArbG Erfurt stellte daraufhin in Anwendung des § 278 Abs. 6 Satz 3 ZPO i.V.m. § 164 Abs. 1 ZPO fest, dass ein verfahrensbeendender Vergleich zu diesem Zeitpunkt noch nicht zustande gekommen war. Denn vorliegend sei es nicht um die materiell-rechtliche Wirksamkeit des Vergleichs oder um eine Anfechtung der zum Vergleich führenden Willenserklärungen gegangen (in diesem Fall hätten die Parteien einen Antrag auf Fortsetzung des Rechtsstreits stellen müssen2), sondern es habe sich die Frage gestellt, ob die formellen Voraussetzungen für einen Festsetzungsbeschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO im schriftlichen Verfahren überhaupt vorgelegen haben. In diesem Fall greift jedoch § 164 Abs. 1 ZPO, auf den in § 278 Abs. 6 Satz 3 ZPO verwiesen wird. Denn der das Zustandekommen des Vergleichs feststellende Beschluss des Gerichts – so das LArbG Erfurt – habe letztlich die gleiche Funktion wie ein Verhandlungsprotokoll. Stellt der Beschluss daher einen Inhalt fest, der nicht der tatsächlichen Rechtslage entspricht, kann er nach § 164 Abs. 1 ZPO berichtigt werden. Zuvor müssen jedoch die Beteiligten angehört werden. Vorliegend war der das Zustandekommen des gerichtlichen Vergleichs feststellende Beschluss unrichtig und daher zu berichtigen. Denn § 278 Abs. 6 ZPO stellt zwei Alternativen für die Vorgehensweise zur Verfügung. Nach Alternative 1 können die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten. Nach Alternative 2 kann der Vergleich auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts diesem gegenüber durch Schriftsatz annehmen. Obwohl im vorliegenden Fall beide Parteien den gleichlautenden Vergleichstext an das Gericht übermittelt haben, lagen dennoch die Voraussetzungen für einen Vergleichsschluss nach Alternative 1 nicht vor. Denn es fehlt an einem eigenen Vergleichsvorschlag der Beklagten. Der Beklagtenseite kam es explizit auf ein Vorgehen nach Alternative 2 an, da sie in ihrem Schriftsatz ausdrücklich um die Unterbreitung eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags zur Einleitung eines Vorgehens nach der zweiten Alternative gebeten hatte.

Dies konnte nicht automatisch als eigener Vorschlag der Beklagten nach Alternative 1 des § 278 Abs. 6 ZPO verstanden werden. Auch ein Zustandekommen nach der zweiten Alternative konnte nicht festgestellt werden, denn nur die Klägerseite hatte den gerichtlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts angenommen. Entscheidend ist daher nicht, was die Parteien außergerichtlich vereinbart haben. Denn nicht die außergerichtliche Einigung der Parteien führt zu einem Vergleichsschluss im schriftlichen Verfahren, sondern nur die entsprechenden Erklärungen gegenüber dem Gericht.

Fußnoten

  1. LArbG Erfurt, Beschl. v. 22.03.2023 – 1 Sa 25/23. ↩︎
  2. Greger in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 278 Rn. 35a. ↩︎