Welche Arbeitgeber schreibt schon gerne Arbeitszeugnisse? Jeder, der sich näher mit dieser Thematik beschäftigt, weiß, dass dies eine verantwortungsvolle Aufgabe ist, die – um dem Zeugnisempfänger gerecht zu werden – sorgfältige Kenntnisse der Materie, vor allem aber auch Zeit erfordert.

Der Arbeitgeber hat hier keine Wahl, denn der Anspruch des Arbeitnehmers auf ein einfaches oder qualifiziertes Arbeitszeugnis ergibt sich aus § 109 Abs. 1 GewO. Viel größeres Augenmerk richten Arbeitnehmer jedoch in der Regel auf § 109 Abs. 2 GewO, nach dem ein Arbeitszeugnis „klar und verständlich formuliert“ sein muss und „keine Merkmale oder Formulierungen enthalten (darf), die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen“.

Gerade hier lauert erhebliches Konfliktpotenzial. Um möglichen weiteren Streitigkeiten zu entgehen, enthalten die meisten arbeitsgerichtlichen Vergleiche, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses regeln, auch eine Zeugnisklausel. Neben der Zeugnisnote wird darin gerne festgelegt, dass es dem klagenden Arbeitnehmer vorbehalten bleibt, einen Zeugnisentwurf zu erstellen, von welchem der beklagte Arbeitgeber nur aus wichtigem Grund abweichen darf. Eine solche Klausel wird in der Regel auch von Arbeitgeberseite begrüßt, weil damit dem Arbeitnehmer die Wahl der Formulierung der Leistungs- und Führungsbeurteilung übertragen werden kann. Hat der Arbeitnehmer die Formulierungen selbst gewählt, wird er dem Arbeitgeber nur schwer unterstellen können, dieser habe das Zeugnis mit versteckten Botschaften oder Geheimcodes versehen.

In dem vom LArbG Mainz1 zu entscheidenden Fall hat die oben genannte Formulierung, nach der es dem Kläger vorbehalten blieb, einen Zeugnisentwurf zu erstellen, von welchem die Beklagte nur aus wichtigem Grund abweichen durfte, jedoch noch zu einem ganz anderen Problem geführt. Der Arbeitnehmer machte gegen die Arbeitgeberin nämlich Schadensersatzansprüche mit der Begründung geltend, sie habe die Erteilung des Arbeitszeugnisses zu lange hinausgezögert mit der Folge, dass er eine Stelle im Gerüstbau ab dem 01.04.2020 nicht habe antreten können, weshalb ihm ein Schaden i.H.v. knapp 7.200 Euro brutto entstanden sei.

Nachdem die Parteien nämlich am 17.02.2020 einen Vergleich, u.a. mit dem obigen Inhalt, geschlossen hatten, bat der Kläger die Beklagte mit Schriftsatz vom 29.04.2020 um Übersendung des vereinbarten Arbeitszeugnisses. Die Beklagte fragte daraufhin beim Kläger nach, ob er den Zeugnisentwurf selbst erstellen wolle oder nicht. Mit Schreiben vom 20.05.2020 bat der Kläger um einen Zeugnisentwurf, der ihm mit Schreiben vom 25.05.2020 übersandt wurde. Mit Schreiben vom 10.06.2020 erklärte sich der Kläger mit dem Zeugnisentwurf einverstanden, woraufhin die Beklagte dem Kläger das Zeugnis Anfang August 2020 zusandte. Der Kläger machte geltend, die Beklagte habe sich zu viel Zeit gelassen, denn sie sei trotz seines Vorbehalts, einen eigenen Entwurf vorzulegen, zur Erstellung des Zeugnisses verpflichtet geblieben. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht stellten sich auf die Seite der Arbeitgeberin. Eine Verzögerung habe nicht vorgelegen. Denn aufgrund des dem Kläger eingeräumten Rechts, einen Zeugnisentwurf zu erstellen, habe die Beklagte mit der Erteilung eines Zeugnisses warten können, bis ihr der Kläger seinen eigenen Entwurf übermittelt habe. Erst mit Schreiben vom 20.05.2020 hatte der Kläger die Beklagte aufgefordert, einen Zeugnisentwurf zu verfassen. Somit habe erst zu diesem Zeitpunkt – so das LArbG Mainz – für die Beklagte festgestanden, dass der Kläger von seinem Recht, selbst einen Zeugnisentwurf zu verfassen, keinen Gebrauch machen wollte. Die Beklagte hat ihm daraufhin umgehend mit Schreiben vom 25.05.2020 einen Zeugnisentwurf zugeleitet. Dennoch habe sich der Kläger bis zum 10.06.2020 Zeit gelassen, um seine Zustimmung hierzu zu erklären. Aufgrund einer Feiertagsregelung (Fronleichnam) wäre das Zeugnis somit ohnehin frühestens erst am 16.06.2020 beim Kläger eingegangen. Deshalb hat das LArbG Mainz für diesen Zeitraum schon einmal einen Schadensersatzanspruch verneint.

Aber auch für die Zeit nach dem 16.06.2020 vermochte das Landesarbeitsgericht einen Schadensersatzanspruch des Klägers nicht zu erkennen. Es ging nämlich von einem „ganz überwiegenden Mitverschulden i.S.d. § 254 Abs. 1 BGB“ aus. Der Kläger hätte sich nämlich, unmittelbar nachdem er sich als Gerüstbauer beworben hatte und von ihm ein Arbeitszeugnis gefordert wurde, unverzüglich mit der Beklagten in Verbindung setzen und diese darüber informieren müssen, dass seine Einstellung zum 01.04.2020 von der Vorlage eines aktuellen Arbeitszeugnisses abhängig gemacht werde. Der Kläger hätte daher schnellstmöglich ein Arbeitszeugnis fordern oder einen Entwurf erstellen müssen. In jedem Fall hätte der Kläger der Beklagten unmissverständlich klar machen müssen, dass er dringend ein Arbeitszeugnis benötigt. Da er dies jedoch nicht getan hat, sondern sich vielmehr erst Ende April 2020 bei der Beklagten gemeldet und sich dann auch noch bis zum 10.06.2020 Zeit gelassen hat, um den Entwurf zu prüfen, sah das Landesarbeitsgericht den geltend gemachten Verzögerungsschaden als maßgeblich durch den Kläger selbst verschuldet an.

Arbeitnehmer, die daher dringend das vereinbarte Arbeitszeugnis zur Vorlage beim neuen Arbeitgeber benötigen, sind gehalten, dies unverzüglich gegenüber dem alten Arbeitgeber zu kommunizieren. Der alte Arbeitgeber hingegen sollte in einem solchen Fall keine Zeit mehr verlieren und das vereinbarte Arbeitszeugnis unverzüglich erteilen, um Schadensersatzansprüche ausschließen zu können. Arbeitnehmer, die sich nicht sorgfältig um ihr Arbeitszeugnis kümmern, können jedoch nicht später die Schuld beim alten Arbeitgeber suchen, der sich womöglich mehr Zeit gelassen hat als nötig.

Fußnoten

1) LArbG Mainz, Urt. v. 05.08.2021 – 5 Sa 83/21.

(AnwZert ArbR 2022)