Viele Arbeitgeber möchten auf eine digitale Gehaltsabrechnung umstellen oder haben dies bereits getan. Ebenso aufwendig wie die technische Umsetzung ist es jedoch erfahrungsgemäß auch, die Arbeitnehmer für diesen Prozess zu gewinnen und sie entsprechend einzubinden. Manche Arbeitgeber gehen davon aus, dass sie ihrer Verpflichtung zur Erteilung einer Lohnabrechnung durch die Bereitstellung der Lohnabrechnung in einem elektronischen Postfach, von welchem die Arbeitnehmer die Abrechnung abrufen können, nachgekommen sind.

Aber so einfach ist es dann wohl doch nicht, wie eine Entscheidung des LArbG Hamm1 zeigt. Denn in diesem Verfahren begehrte der Kläger Abrechnungen für erfolgte Zahlungen für die Monate September 2019 bis November 2020 in Papierform. Dass der Kläger seine Lohnabrechnungen nicht erhalten hatte, beruhte auf folgendem Umstand: Anfang März 2019 informierte die Beklagte ihre Mitarbeiter, so auch den Kläger, darüber, dass Verdienstabrechnungen künftig verschlüsselt in dem neuen Onlineportal bereitgestellt seien und nicht mehr wie bisher in ausgedruckter Form zur Verfügung gestellt werden. Um diese Umstellung umzusetzen, mussten sich die Mitarbeiter im Onlineportal innerhalb von drei Monaten erstmalig anmelden, um ein eigenes, personalisiertes Passwort zu generieren. Im Anschluss an diesen Vorgang war es möglich, die Lohnabrechnungen von Zuhause aus auszudrucken und abzuspeichern oder die auf dem Betriebsgelände hierzu bereitgestellten Terminals zu nutzen. Dieser Art der Erteilung der Lohnabrechnungen widersprach der Kläger jedenfalls ausdrücklich durch Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 28.10.2019. Seit September 2019 erhielt der Kläger seine Lohnabrechnungen sodann nicht mehr ausgedruckt. Diese wurden vielmehr nur noch in digitaler, elektronischer Form im Online-Portal der Beklagten bereitgestellt. Der Kläger druckte sich seine Lohnabrechnungen nicht selbst aus und vertrat die Ansicht, diese Art der Bereitstellung seiner Lohnabrechnungen in elektronischer Form bedürfe seiner Zustimmung; es sei zudem nicht ausreichend, die Lohnabrechnungen in elektronischer Form in einem Online-Portal hochzuladen. Er habe Anspruch auf eine Abrechnung in Textform, und dieser Textform genüge das Bereitstellen in einem Online-Portal gerade nicht.

Das LArbG Hamm sah dies anders. Die Beklagte habe die Lohnabrechnungen in Textform erstellt. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Kläger auf die als PDF-Datei gespeicherte Lohnabrechnung nur mit dem für ihn bestimmten Passwort zurückgreifen konnte. Jedoch hat der Arbeitgeber nach § 108 GewO nicht nur die Verpflichtung, eine Lohnabrechnung zu erstellen, sondern er ist auch verpflichtet, dem Arbeitnehmer die Lohnabrechnung zu erteilen. Dies setzt den Zugang der Lohnabrechnung beim Arbeitnehmer entsprechend § 130 BGB voraus. Allein die Möglichkeit des Klägers, die Lohnabrechnungen auf dem Onlineportal der Arbeitgeberin unter Verwendung seines Passwortes abzuholen, reichte jedoch für eine Erteilung i.S.d. § 108 GewO nicht aus. Der Arbeitgeber ist hiernach nämlich verpflichtet, die in elektronischer Form erstellte Lohnabrechnung in den Machtbereich des Arbeitnehmers zu verbringen.2 Besitzt somit ein Arbeitnehmer keine dienstliche E-Mail-Adresse, so kann der Zugang einer elektronischen Erklärung, die dem Textformerfordernis genügt, nur dann angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer sich mit dem Empfang der elektronischen Erklärungen ausdrücklich oder konkludent einverstanden erklärt hat.3 Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall. Mangels Zugangs der Lohnabrechnungen galten diese nicht als erteilt i.S.d. § 108 GewO. Die Beklagte, die dem Kläger Rechtsmissbrauch vorwarf, musste sich auch diesbezüglich geschlagen geben. Obwohl das LArbG Hamm der Beklagten zugab, dass angesichts der zwischenzeitlichen technischen Entwicklung die Erteilung von Lohnabrechnungen in elektronischer Form üblich geworden und auch das Abrufen der Lohnabrechnungen ohne weiteres möglich gewesen sei, habe es im Verhalten des Klägers dennoch keine Zugangsvereitelung oder sonstiges rechtsmissbräuchliches Verhalten entdecken können. Denn nach § 108 GewO habe der Arbeitnehmer Anspruch auf die Erteilung der Lohnabrechnung, nicht jedoch lediglich auf deren Bereitstellung verbunden mit einer vom Arbeitnehmer selbst vorzunehmenden aktiven Tätigkeit.

Arbeitgeber sollten daher diesen zugegebenermaßen eher ungewöhnlichen Fall zum Anlass nehmen zu überprüfen, ob das Einverständnis aller Arbeitnehmer vorliegt, die vom Arbeitgeber bereitgestellten elektronischen Lohnabrechnungen auch abzuholen. Dieses Einverständnis kann beispielsweise bereits im Arbeitsvertrag geregelt sein.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das LArbG Hamm die Revision zugelassen.

Fußnoten

1) LArbG Hamm, Urt. v. 23.09.2021 – 2 Sa 179/21.

2) LArbG Hamm, Urt. v. 23.09.2021 – 2 Sa 179/21 Rn. 44.

3) LArbG Hamm, Urt. v. 23.09.2021 – 2 Sa 179/21 Rn. 45 m.w.N.

(AnwZert ArbR 2022)