Sie wollen einfach nicht von der Bildfläche verschwinden, und manche Arbeitgeber machen es Ihnen auch wirklich leicht. Gemeint sind die sog. „AGG-Hopper“, also Personen, die sich zum Schein auf eine Stellenanzeige bewerben, um unter Verstoß gegen das AGG abgelehnt zu werden und eine Entschädigung fordern zu können.

Das Problem solcher Entschädigungsklagen für den Arbeitgeber ist, dass er für die fehlende subjektive Ernsthaftigkeit des Bewerbers, d.h. den Rechtsmissbrauch, darlegungs- und beweisbelastet ist.1

Auf dem Internetportal eBay-Kleinanzeigen finden sich immer wieder – vorsichtig ausgedrückt – „AGG-bedenkliche“ Stellenanzeigen. Reagieren auf solche Stellenanzeigen Interessenten, gelten sie als Bewerber i.S.d. § 6 Abs. 2 AGG, selbst wenn die Bewerbung mittels Nachrichtenaustausch über die Chat-Funktion der App abläuft. Dies hat das LArbG Kiel2 aktuell entschieden und den Arbeitgeber, der in seiner Stellenanzeige ausdrücklich eine „Sekretärin“ gesucht hat, zu einer Entschädigung i.H.v. 7.800 Euro nebst Zinsen verurteilt. Die Beklagte hatte auf dem Internetportal eBay-Kleinanzeigen folgende Anzeige eingestellt:

„Sekretärin gesucht!

Beschreibung

Wir suchen eine Sekretärin ab sofort.

Vollzeit/Teilzeit

Es wäre super, wenn sie Erfahrung mitbringen.

Standort: 2…. B.“

Der Kläger antwortete sodann mit folgender Nachricht:

„Hallo, ich habe gerade auf Ebay Kleinanzeigen ihre Stellenausschreibung gefunden, womit Sie eine Sekretärin suchen. Ich suche derzeit eine neue Wohnung im Umkreis und habe Interesse an Ihrer Stelle. Ich habe Berufserfahrung im Büro und kenne mich mit Word und Excel und Gesetzen gut aus. Lieferscheine und Rechnungen kann ich auch schreiben und sonst typische Arbeiten einer Sekretärin, die sie fordern.

Ich bewerbe mich hiermit auf ihrer Stelle.

Suchen Sie nur ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau? In ihrer Stellenanzeige haben Sie dies so angegeben. Ich habe eine kaufmännische abgeschlossene Ausbildung als Industriekaufmann.

Über eine Rückmeldung würde ich mich sehr freuen.

Ich wäre ab sofort verfügbar.

Mit freundlichen Grüßen

Herr W.

26.04.2021, 14:44 Uhr“

Weitere Bewerbungsunterlagen legte der Kläger nicht vor. Auf Nachfrage des Klägers, ob tatsächlich nur eine Frau gesucht werde, hat die Beklagte dies bestätigt und dem Kläger „alles Gute“ gewünscht.

Ungefähr einen Monat später wandte sich der Kläger an die Beklagte mit einem vorformulierten Vergleichsvorschlag mit einer Entschädigungssumme i.H.v. 3.500 Euro. Als die Beklagte diesem Vorschlag nicht zustimmte, verklagte der Kläger die Beklagte auf eine Entschädigung i.H.v. 7.800 Euro. Er trug vor, er hätte bei einer Beschäftigung bei der Beklagten wahrscheinlich einen Durchschnittsbruttomonatsverdienst von 2.600 Euro gehabt. Eine andere Anstellung habe er nicht gefunden und beziehe Arbeitslosengeld.

Nachdem das ArbG Elmshorn die Klage mit der Begründung abgewiesen hatte, der Kläger sei kein Bewerber i.S.d. § 6 Abs. 1 AGG, es habe sich lediglich um eine Kontaktaufnahme gehandelt, bejahte das LArbG Kiel hingegen einen Entschädigungsanspruch des Klägers i.H.v. 7.800 Euro brutto. Der Kläger war nach Ansicht des LArbG Kiel Bewerber i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG, die Beklagte Arbeitgeberin i.S.v. § 6 Abs. 2 AGG. Der Kläger habe über die Antwortfunktion des Portals geantwortet, seine Qualifikation mitgeteilt und erklärt, er bewerbe sich um die Position als Sekretärin. Damit liege ein Bewerbungsschreiben vor. Da die Beklagte sich für eine Stellenausschreibung über das Internetportal eBay-Kleinanzeigen entschieden habe, musste sie auch damit rechnen, dass Bewerbungen über den Antwortbutton erfolgen werden. Durch die Formulierung der Stellenanzeige und die Bestätigung, dass eine Frau gesucht werde, habe die Beklagte den Kläger im Hinblick auf das Diskriminierungsmerkmal „Geschlecht“ i.S.d. § 1 AGG benachteiligt.

Dass die Person, die die Stellenanzeige aufgegeben hatte, in derartigen Angelegenheiten unerfahren war, änderte nichts an der Benachteiligung. Denn diese setze kein schuldhaftes Verhalten oder eine Benachteiligungsabsicht voraus.3

Der Forderung des Klägers stand auch nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegen. Von Rechtsmissbrauch wäre auszugehen, wenn der Kläger die ausgeschriebene Stelle gar nicht erhalten wollte, sondern sich lediglich beworben haben sollte mit dem Ziel, Ansprüche auf Entschädigung geltend zu machen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt derjenige, der sich auf den Einwand beruft.4 Dieser Nachweis ist für Arbeitgeber jedoch außerordentlich schwierig. Nach Ansicht des Gerichts ließen sich aus dem gesamten Verhalten des Klägers „keine hinreichenden objektiven Umstände entnehmen, die den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers“ erlaubt hätten.5 Weder das gezielte Nachfragen des Klägers, ob denn tatsächlich nur eine Frau als Sekretärin gesucht werde, noch die Tatsache, dass der Kläger 250 km entfernt wohnte (der Kläger behauptete, dass er einen Umzug in den Raum H. beabsichtigte, um mit seiner Freundin zusammenzuziehen), noch der Umstand, dass der Kläger ein bereits juristisch formuliertes Vergleichsangebot unterbreitet hat (der Kläger studierte Wirtschaftsinformatik) sprachen für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers. Selbst die Tatsache, dass der Kläger es in seinem anonymisierten Formularschreiben zur Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs auf Seite 2 versäumt hatte, das alte Datum zu aktualisieren, was dafür sprach, dass er das Schreiben bereits in einem vorherigen Fall verwendet hatte, lassen nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts in der Gesamtschau nicht auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten schließen. Denn die Tatsache, dass ein Bewerber bereits mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat oder führt, lässt nach Ansicht des LArbG Kiel nicht den Schluss auf Rechtsmissbrauch zu.6 Das LArbG Kiel sah daher die Festsetzung von drei Monatsgehältern als angemessene Entschädigung an.

Der Beklagten hat es auch nicht geholfen, dass sie den Kläger dann letztlich doch noch zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat, zu dem der Kläger dann nicht erschienen ist. Denn der maßgebende Zeitpunkt für die Beurteilung, ob jemand sich nur beworben hat, um Schadensersatz geltend zu machen, ist der Zeitpunkt der Bewerbung. Daher sind – so das LArbG Kiel – in der Regel auch nur die Umstände aus der Zeit bis zur Absage zu berücksichtigen, und nicht solche, die danach liegen.

Es ist und bleibt somit außerordentlich schwer für Arbeitgeber, sich gegen AGG-Hopper zur Wehr zu setzen. Um Prozesse wie den Geschilderten zu vermeiden, kann Arbeitgebern nur angeraten werden, penibel AGG-konforme Stellenanzeigen zu formulieren. Aber auch dies ist zugegebenermaßen in den letzten Jahren nicht einfacher geworden …

Fußnoten

  1. BAG, EuGH-Vorlage v. 18.06.2015 – 8 AZR 848/13 (A) Rn. 26.
  2. LArbG Kiel, Urt. v. 21.06.2023 – 2 Sa 21/22.
  3. BAG, Urt. v. 27.01.2011 – 8 AZR 580/09.
  4. BAG, Urt. v. 18.06.2015 – 8 AZR 848/13 (A) Rn. 26.
  5. LArbG Kiel, Urt. v. 21.06.2022 – 2 Sa 21/22 Rn. 62.
  6. Vgl. zum Beispiel BAG, Urt. v. 11.08.2016 – 8 AZR 4/15 Rn. 59. Weitere Nachweise unter LArbG Kiel, Urt. v. 21.06.2022 – 2 Sa 21/22 Rn. 73.

AnwZert ArbR 16/2022 Anm. 1