Streitigkeiten um Zeugnisse sind in der Regel nicht „Anwalts Liebling“. Der Gegenstandswert wird in der Regel mit einem Bruttomonatsgehalt angesetzt, obwohl gerade Zeugnisstreitigkeiten bisweilen hoch emotional geführt werden und dem betreuenden Prozessbevollmächtigten oft überdurchschnittlichen Aufwand abverlangen. Daher nur am Rande: Hier sollte einmal darüber nachgedacht werden, ob nicht zumindest für Streitigkeiten, in denen es um die Berichtigung eines Zeugnisses geht (in Abgrenzung zur reinen Erteilung), im Streitwertkatalog ein höherer Streitwert, beispielsweise zwei oder drei Bruttomonatsgehälter, angesetzt werden sollte.

Nichtsdestotrotz bleibt es nicht aus, dass Zeugnisberichtigungsklagen geführt werden. Hier ist es für den Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers oftmals außerordentlich schwer darzulegen, dass dieser zum Beispiel seine Leistungen „stets zur vollen Zufriedenheit“ des Arbeitgebers erbracht hat, nicht jedoch „zur vollen Zufriedenheit“. Umgekehrt ist es für Arbeitgeber-Vertreter oftmals außerordentlich aufwendig nachzuweisen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich nur „zur Zufriedenheit“ gearbeitet hat, anstatt – wie vom Arbeitnehmer gefordert – „stets zur Zufriedenheit/zur vollen Zufriedenheit“.

Man mag über den generellen Sinn oder Unsinn der Zeugnis-Praxis in Deutschland diskutieren, ferner über die Rechtsprechung des BAG, dass die vom Arbeitnehmer geschuldete durchschnittliche Leistung eine befriedigende Leistung sei.1 Fakt ist, dass die meisten Arbeitnehmer davon ausgehen, am Ende der Beschäftigungszeit ein Zeugnis mit der Note Gut oder besser verdient zu haben. Dies mag in zahlreichen Fällen auch so sein, aber weder der Prozessbevollmächtigte des Arbeitnehmers noch das damit befasste Gericht hat den Arbeitnehmer je an seinem Arbeitsplatz arbeiten gesehen. Aber auch der Arbeitgeber bzw. dessen Personalabteilung ist gerade in größeren Betrieben darauf angewiesen, dass der Vorgesetzte des betroffenen Arbeitnehmers ein Bild von dessen Leistung und Verhalten zeichnet, das dann in gesetzten Worten oder in Textbausteinen in einem Zeugnis abgebildet wird. Jedoch auch dieses Bild kann aus den unterschiedlichsten Gründen äußerst subjektiv gefärbt sein. Lassen wir einmal all jene Fälle außen vor, in denen dem Verfasser des Zeugnisses jegliches Talent oder einfach nur die entsprechende Mühe gefehlt hat, ein zumindest akzeptables und nachvollziehbares Zeugnis zu fertigen, so gibt es dennoch eine ganze Reihe von Arbeitszeugnissen, in welchen der Arbeitgeber ganz bewusst zum Ausdruck bringt, dass er dem Arbeitnehmer nur eine durchschnittliche oder gar unterdurchschnittliche Leistungs- oder Verhaltensbewertung attestieren kann. Hier sieht sich der Arbeitnehmer-Vertreter in der Regel einem empörten, emotional aufgewühlten und zutiefst verletzten Arbeitnehmer gegenüber, der die schnellstmögliche Berichtigung des erteilten Zeugnisses fordert, nicht zuletzt aus der berechtigten Angst heraus, dass ihm das Auffinden eines neuen Arbeitsplatzes durch das aktuelle Zeugnis erschwert werden wird.

Eine Argumentationshilfe für den Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers kann in dieser Situation ein dem Arbeitnehmer im Idealfall vor nicht allzu langer Zeit erteiltes Zwischenzeugnis sein. Denn hat der Arbeitgeber in einem solchen Zwischenzeugnis dem Arbeitnehmer eine weitaus bessere Bewertung zukommen lassen als im Schlusszeugnis, besteht die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber sich hinsichtlich der Bewertung des Zwischenzeugnisses selbst gebunden hat. Dies bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber exakt die Formulierungen des Zwischenzeugnisses übernehmen muss2; allerdings kann er in diesem Fall von den Bewertungen bzw. wertenden Ausführungen im Zwischenzeugnis nicht einfach zum Nachteil des Arbeitnehmers abweichen, ohne rechtsmissbräuchlich zu handeln.3

Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang aufdrängt, ist natürlich, wie alt bzw. jung das Zwischenzeugnis sein muss, um noch eine Selbstbindung des Arbeitgebers bewirken zu können. Schlessmann4 spricht von einem verwertbaren Zeitraum von ein bis zwei Jahren, der das Zwischenzeugnis zurückliegen darf, und der zu einer Selbstbindung des Arbeitgebers führt. Das LArbG Köln5 hat in diesem Zusammenhang bei einem fünfjährigen Arbeitsverhältnis festgestellt, dass bei einem zurückliegenden Zwischenzeugnis von zehn Monaten die Beurteilungsgrundlage die gleiche geblieben ist, und der Arbeitgeber daher seine im Zwischenzeugnis zum Ausdruck gekommene Beurteilung nicht einfach ändern kann. Gleiches hat das BAG6 für einen Zeitraum von fünf Monaten entschieden. Es hat sogar recht pauschal festgestellt: „Hat der Arbeitgeber zuvor ein Zwischenzeugnis erteilt, ist er regelmäßig an den Inhalt des Zwischenzeugnisses gebunden, wenn er ein Endzeugnis erteilt.“ Der Arbeitgeber kann vom Zwischenzeugnis daher nur abweichen, wenn die späteren Leistungen und das spätere Verhalten des Arbeitnehmers dies rechtfertigen.7

Arbeitgeber müssen sich bei der Erteilung eines Zwischenzeugnisses also bewusst sein, dass inhaltliche Abweichungen zum Nachteil des Arbeitnehmers im Endzeugnis gerechtfertigt sein müssen durch jüngere Vorfälle, die zugleich charakteristisch und für das Gesamtbild prägend sind.8 Es müssen somit neue Tatsachen bekannt werden, die eine Änderung rechtfertigen können.9 Arbeitnehmer-Vertreter sollten daher stets nach einem möglicherweise erteilten Zwischenzeugnis fragen, da es wertvolle Argumente für einen Zeugnisberichtigungsanspruch liefern kann. Denn das Schlusszeugnis darf nicht nur die Schlussphase des Arbeitsverhältnisses wiedergeben, sondern muss einen Überblick über die gesamte Beschäftigungszeit geben.

Aber Achtung: Das LArbG Bremen10 geht auch von einer Selbstbindung des Arbeitnehmers aus, wenn er ein Zwischenzeugnis der Note Befriedigend akzeptiert hat, jedoch eineinhalb Jahre später nach einem Betriebsübergang im Endzeugnis nunmehr eine Beurteilung mit der Note Gut verlangt. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer im Einzelnen darlegen, in welchen Bereichen und auf welche Weise sich seine Leistungen gegenüber den im Zwischenzeugnis bescheinigten verbessert haben.

Fußnoten

1) BAG, Urt. v. 18.11.2014 – 9 AZR 584/13 – BAGE 150, 66: „Eine überdurchschnittliche Leistung liegt vor, wenn sie der Schulnote ‚gut’ oder ‚sehr gut’ entspricht. Welche Schulnoten in den Zeugnissen einer Branche am häufigsten vergeben werden, ist ohne unmittelbaren Einfluss auf die Darlegungs- und Beweislast. Bei einer Gesamtbeurteilung ‚zur vollen Zufriedenheit’ handelt es sich um die Bescheinigung einer durchschnittlichen Leistung entsprechend einer mittleren Note in der Zufriedenheitsskala“.
2) LArbG Düsseldorf, Urt. v. 02.07.1976 – 9 Sa 727/76 – DB 1976, 2310.
3) LArbG Köln, Urt. v. 22.08.1997 – 11 Sa 235/97.
4) Schlessmann, Das Arbeitszeugnis, 22. Aufl. 2018, Rn. 603.
5) LArbG Köln, Urt. v. 22.08.1997 – 11 Sa 235/97: „Der Arbeitgeber kann bei gleicher Beurteilungsgrundlage nicht seine im Zwischenzeugnis zum Ausdruck gekommenen Beurteilungen im Schlusszeugnis ändern; bei einem fünfjährigen Arbeitsverhältnis spricht eine Vermutung dafür, dass die Beurteilungsgrundlage die gleiche geblieben ist, wenn bei Abfassung des Schlusszeugnisses nur zehn Monate seit dem Zwischenzeugnis vergangen sind.“
6) BAG, Urt. v. 16.10.2007 – 9 AZR 248/07.
7) BAG, Urt. v. 16.10.2007 – 9 AZR 248/07 Rn. 23 m.w.N. – BAGE 124, 229.
8) Schlessmann, Das Arbeitszeugnis, Rn. 604 m.w.N.
9) LArbG Kiel, Urt. v. 23.10.2007 – 2 Sa 213/07: „Hat ein Arbeitgeber kurze Zeit vor Ausscheiden eines Arbeitnehmers ein Zwischenzeugnis erteilt, so ist er an die in dem Zwischenzeugnis enthaltene Bewertung von Führung und Leistung des Mitarbeiters gebunden, es sei denn, es sind inzwischen Tatsachen bekannt geworden, die eine Abänderung verlangen.“
10) LArbG Bremen, Urt. v. 09.11.2000 – 4 Sa 101/00.