Wer wann seinen Urlaub nehmen darf, ist in vielen Betrieben eine heiß umkämpfte Frage. Nahm ein Arbeitnehmer seinen Urlaub jedoch gar nicht oder konnte er ihn nicht nehmen, so verfiel der Urlaub bislang zum Jahresende oder zum Ende des Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BurlG) ohne Wenn und Aber. Allenfalls konnte der Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen noch Schadensersatz vom Arbeitgeber verlangen. Das BAG hat in einer aktuellen Entscheidung1 diese Rechtsprechung nunmehr weiterentwickelt und damit die Vorgaben des EuGH aufgrund der Vorabentscheidung vom 06.11.20182 umgesetzt.

Anlass der BAG-Entscheidung war die Klage eines Arbeitnehmers, der während seiner Beschäftigungszeit vom 01.08.2001 bis zum 31.12.2013 als Wissenschaftler seinen Urlaub im Umfang von 51 Arbeitstagen aus den Jahren 2012 und 2013 nicht genommen hatte. Grund hierfür war, dass er einen Antrag auf Gewährung dieses Urlaubs während des Arbeitsverhältnisses nicht gestellt hatte. Er verklagte daraufhin seinen Arbeitgeber auf Abgeltung seines Urlaubs i.H.v. 11.979,26 Euro brutto. Das LArbG München3 ging zwar von einem Verfall der Urlaubsansprüche zum Jahresende aus. Jedoch habe der Kläger Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub verlangen können, weil die Beklagte ihre Verpflichtung, ihm von sich aus rechtzeitig Urlaub zu gewähren, nicht nachgekommen sei. Da das Arbeitsverhältnis nunmehr beendet sei, sei der Ersatzurlaubsanspruch abzugelten.

Das BAG verwies die Sache an das Landesarbeitsgericht zurück. Das BAG stellte klar, dass § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, nach dem es dem Arbeitgeber vorbehalten sei, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen, den Arbeitgeber nicht zwinge, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren. Allerdings obliege ihm die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Der Arbeitgeber sei somit gehalten, dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich seinen Urlaub nehmen kann. Dies bedeutet, dass er ihn erforderlichenfalls förmlich auffordern müsse, den Urlaub zu nehmen.

Laut BAG bedeutet dies: „Der Arbeitgeber hat klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt.“4 Ob dies im vorliegenden Fall geschehen ist, wird das Landesarbeitsgericht aufzuklären haben.

Ein Arbeitgeber kann sich somit nach der neuen BAG-Rechtsprechung nur dann auf den Verfall des Urlaubsanspruchs berufen, wenn er zuvor zwei Anforderungen erfüllt hat:

• Er muss den Arbeitnehmer auf den drohenden Verfall des Urlaubs transparent und unmissverständlich hingewiesen und ihn – ggf. förmlich – aufgefordert haben, den Urlaub zu nehmen.
• Dieser Hinweis muss so frühzeitig erfolgen, dass der Arbeitnehmer noch tatsächlichen in der Lage ist, seinen Jahresurlaub zu nehmen.

Fußnoten

1) BAG, Urt. v. 19.02.2019 – 9 AZR 451/15 – Pressemitteilung des BAG Nr. 9/2019.
2) EuGH, Urt. v. 06.11.2018 – C-684/16 „Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften“.
3) LArbG München, Urt. v. 06.05.2015 – 8 Sa 982/14.
4) BAG, Urt. v. 19.02.2019 – 9 AZR 451/15 – Pressemitteilung des BAG Nr. 9/2019.