Dass Betriebsratsmitglieder besonderen Kündigungsschutz genießen, ist hinreichend bekannt. Doch immer wieder müssen auch Ersatzmitglieder einspringen, wenn ein ordentliches Betriebsratsmitglied aus dem Betriebsrat ausscheidet oder vorübergehend verhindert ist. Auch sie sind geschützt, sowohl während der Ausübung ihrer Tätigkeit im Betriebsrat als auch danach durch den sog. nachwirkenden Kündigungsschutz.

Doch der Reihe nach: Grundsätzlich ist die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds während seiner Amtszeit unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und der Betriebsrat nach § 103 BetrVG der Kündigung zugestimmt hat oder die Kündigung durch Entscheidung des Arbeitsgerichts ersetzt wurde, § 15 Abs. 1 KSchG. Nach Ablauf der Amtszeit eines Betriebsratsmitglieds ist dessen ordentliche Kündigung innerhalb eines Jahres unzulässig (sog. nachwirkender Kündigungsschutz). Seine fristlose Kündigung ist hingegen möglich, sofern die Voraussetzungen des § 626 BGB vorliegen.

Für Ersatzmitglieder gilt § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ebenfalls. Dies bedeutet, dass solche Ersatzmitglieder in den Genuss des besonderen Kündigungsschutzes des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG kommen, die nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG wegen der zeitweiligen Verhinderung eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds tätig geworden sind. Ersatzmitglieder vertreten ordentliche Mitglieder des Betriebsrats nämlich nicht nur in einzelnen Amtsgeschäften, beispielsweise in der Teilnahme an Betriebsratssitzungen. Sie rücken vielmehr gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG für die Dauer der Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds in den Betriebsrat nach.1 Scheidet ein Betriebsratsmitglied endgültig aus dem Betriebsrat aus, rückt das nächst zuständige Ersatzmitglied nach, § 25 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Es wird sodann zu einem regulären Betriebsratsmitglied und § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG greift ohnehin.

Vertritt das Ersatzmitglied somit lediglich für einen begrenzten Zeitraum ein zeitweilig verhindertes reguläres Betriebsratsmitglied, beispielsweise weil dieses erkrankt ist oder sich im Erholungsurlaub befindet, erlangt es den Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG automatisch mit der Verhinderung des ordentlichen Betriebsratsmitglieds. Denn der Eintritt des Ersatzmitglieds vollzieht sich automatisch mit Beginn des Verhinderungsfalls. Einer besonderen Erklärung, dass die Amtsgeschäfte übernommen werden, bedarf es nicht. Hierbei ist noch nicht einmal erforderlich, dass dem Ersatzmitglied selbst, dem Betriebsrat oder dem Betriebsratsvorsitzenden der Vertretungsfall überhaupt bekannt ist. Entscheidend ist auch nicht, ob das Ersatzmitglied während der Dauer der Vertretung Betriebsratsaufgaben übernommen hat. Nach Ansicht des BAG genügt insoweit allein die Möglichkeit, dass dem Ersatzmitglied Betriebsratsaufgaben hätten zufallen können.2

Obwohl der Kündigungsschutz für Ersatzmitglieder frühestens mit dem Tag beginnt, an dem das ordentliche Betriebsratsmitglied verhindert ist, besteht eine Ausnahme für den Fall, dass das Ersatzmitglied bereits zu einer Betriebsratssitzung geladen wurde. Fällt nämlich in eine kurze Vertretung oder zu Beginn einer längeren Vertretung eine Betriebsratssitzung, genießt das Ersatzmitglied auch bereits in der Vorbereitungszeit den besonderen Kündigungsschutz. Dies ist die Zeit ab Ladung; in der Regel sieht das BAG jedoch drei Arbeitstage als Vorbereitungszeit als ausreichend an.3

Ein besonderer Vertretungsfall ist der Erholungsurlaub eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds. Wird diesem nämlich Erholungsurlaub bewilligt, gilt es als zeitweilig verhindert i.S.v. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, es sei denn, es zeigt seine Bereitschaft positiv an, während des Urlaubs Betriebsratstätigkeiten zu verrichten.4

Besonderes Augenmerk ist letztlich auf den nachwirkenden Kündigungsschutz von Ersatzmitgliedern des Betriebsrats zu richten. Er beginnt nach der Beendigung der Vertretung im Betriebsrat und beträgt unabhängig von der Dauer der Vertretung ein Jahr, § 15 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Hierbei beginnt die Frist bei jeder weiteren Vertretung erneut zu laufen.5 Der nachwirkende Kündigungsschutz besteht auch unabhängig davon, ob der Arbeitgeber bei Ausspruch der ordentlichen Kündigung von der Vertretungstätigkeit gewusst hat.6 Reicht es für den Kündigungsschutz während der Vertretungszeit jedoch noch aus, dass überhaupt die Möglichkeit bestanden haben muss, dass dem Ersatzmitglied Betriebsratsaufgaben zufallen könnten, ist es für den nachwirkenden Kündigungsschutz hingegen unerlässlich, dass das Ersatzmitglied während dieser Vertretungszeit auch tatsächlich konkrete Betriebsratsaufgaben wahrgenommen hat.7 Der Betriebsrat ist daher gut beraten, jede Vertretungszeit und -tätigkeit eines Ersatzmitglieds zu dokumentieren, um dem Ersatzmitglied denjenigen Kündigungsschutz zukommen zu lassen, der ihm gebührt.

§ 103 BetrVG regelt den besonderen Kündigungsschutz bei außerordentlichen Kündigungen. Nach § 103 BetrVG muss der Betriebsrat der außerordentlichen Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats nämlich zustimmen. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber diese durch das Arbeitsgericht ersetzen lassen, wenn die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt ist. § 103 BetrVG schützt auch Ersatzmitglieder für die Zeit ihrer Vertretung im Betriebsrat,8gewährt jedoch anders als § 15 KSchG keinen nachwirkenden Kündigungsschutz – weder für die regulären Betriebsratsmitglieder noch für die Ersatzmitglieder.9

Fußnoten

1) BAG, Urt. v. 08.09.2011 – 2 AZR 388/10.
2) BAG, Urt. v. 08.09.2011 – 2 AZR 388/10.
3) BAG, Urt. v. 17.01.1979 – 5 AZR 891/77.
4) BAG, Urt. v. 08.09.2011 – 2 AZR 388/10.
5) BAG, Urt. v. 18.05.2006 – 6 AZR 627/05 Rn. 24.
6) BAG, Urt. v. 06.09.1979 – 2 AZR 548/77.
7) BAG, Urt. v. 08.09.2011 – 2 AZR 388/10 Rn. 40.
8) BAG, Urt. v. 09.11.1977 – 5 AZR 175/76. Hierbei gilt der besondere Kündigungsschutz des § 103 BetrVG bei Ersatzmitgliedern auch während einer eigenen Verhinderung während der Vertretungszeit, sofern deren Dauer im Vergleich zur voraussichtlichen Dauer des Vertretungsfalles als unerheblich anzusehen ist.
9) Kania in: ErfKomm, 19. Aufl. 2019, § 103 BetrVG Rn. 3.