Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) stellt Ausbildende und Auszubildende immer wieder vor neue Fragen und Herausforderungen.

Wie einer aktuellen Entscheidung des BAG1 zu entnehmen ist, hat die Kündigungsfrist des § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG einem Auszubildenden bei der Beendigung seines Ausbildungsverhältnisses Probleme bereitet. Nach § 22 Abs. 2 BBiG kann das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit nur gekündigt werden aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist (Nr. 1), von Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn sie die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen wollen (Nr. 2).

In dem vom BAG zu entscheidenden Fall hatte der Auszubildende sein Ausbildungsverhältnis mit Schreiben vom 04.01.2016 zum 29.02.2016 mit der Begründung gekündigt, er habe sich für einen anderen Berufsweg entschieden und wolle seine derzeitige Ausbildung aufgeben. Seine neue Berufsausbildung beginne am 01.03.2016. Das Kündigungsschreiben war von den Eltern des Auszubildenden mitunterzeichnet. Der Ausbildende hingegen sah das Ausbildungsverhältnis vier Wochen nach Zugang der Kündigung und damit bereits am 02.02.2016 als beendet an. Er informierte die zuständige IHK, die den Ausbildungsvertrag zum 02.02.2016 aus dem Verzeichnis der Ausbildungsverträge löschte. Den Antrag des Klägers auf Einleitung des Verfahrens vor dem Schlichtungsausschuss der zuständigen IHK wies der Ausschuss zurück, da er nur für bestehende Ausbildungsverhältnisse zuständig sei und zum nächsten ordnungsgemäßen Verhandlungstermin, dem 01.03.2016, bestehe das Ausbildungsverhältnis unstreitig nicht mehr. Der Auszubildende begehrte mit der von seinen Eltern mitunterzeichneten Klage daher beim Arbeitsgericht die Feststellung des Fortbestandes des Ausbildungsverhältnisses bis zum 29.02.2016. Die gesetzliche Kündigungsfrist in § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG sei nämlich eine Mindestkündigungsfrist und beende – entgegen der Ansicht des Ausbildenden – das Ausbildungsverhältnis nicht in jedem Fall innerhalb von vier Wochen.

Das BAG ging ebenfalls von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 29.02.2016 aus, denn § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG lege keine zwingende Kündigungsfrist fest, die vom Auszubildenden nicht überschritten werden dürfe. Zwar sei die vierwöchige Kündigungsfrist des § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG gemäß § 25 BBiG unabdingbar. Dies bedeute allerdings nur, dass diese Frist nicht durch eine Vereinbarung zwischen den Parteien des Ausbildungsverhältnisses zulasten des Auszubildenden verlängert werden dürfe. Allerdings sei diese Frist als Höchstkündigungsfrist nur einseitig zwingend. Daher dürfe der Auszubildende bei einer Berufswechselkündigung das Ausbildungsverhältnis zu dem von ihm beabsichtigten Zeitpunkt auch mit einer längeren als der gesetzlich normierten Frist von vier Wochen kündigen.

Auch ansonsten hatte der Auszubildende alles richtig gemacht. Die Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses hatten seine Eltern mitunterschrieben, gleiches gilt für die Klage, da der Kläger bei Einreichung der Klageschrift noch minderjährig, damit nach den §§ 106 ff. BGB beschränkt geschäftsfähig und deshalb prozessunfähig war. Durch Mitunterzeichnung der Klage haben die Eltern als gesetzliche Vertreter den Kläger gemeinschaftlich wirksam vertreten. Nach Volljährigkeit des Klägers und Erlangung der Prozessfähigkeit während des Rechtsstreits wurde das Verfahren ohne Unterbrechung fortgesetzt.

Die Klage durfte auch trotz der unverzichtbaren Prozessvoraussetzung des § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG erhoben werden. Denn verweigert der Schlichtungsausschuss die Durchführung des Verfahrens, könne dies dem Antragsteller nicht angelastet werden, so das BAG. Der Auszubildende konnte daher unmittelbar Klage erheben.2 Schließlich hatte die Löschung des Ausbildungsvertrags aus dem Verzeichnis der Berufsausbildungsverträge durch die zuständige IHK zum 02.02.2016 auch keine Auswirkungen auf den Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses.

Fußnoten

1) BAG, Urt. v. 22.02.2018 – 6 AZR 50/17.
2) BAG, Urt. v. 12.02.2015 – 6 AZR 845/13 Rn. 25 – BAGE 151, 1; BAG, Urt. v. 17.09.1987 – 2 AZR 654/86 – BAGE 57, 179.

Erschienen im: AnwZert ArbR 10/2018 Anm. 1