Wie ein Betriebsrat in einem Moment der unbedachten Wortwahl sein freigestelltes Mitglied um durchschnittlich 500 bis 600 Euro brutto pro Monat gebracht hat, zeigt eine Entscheidung des LArbG Erfurt1, die zwar in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden sein dürfte, die jedoch bei genauerem Hinsehen einen bitteren Beigeschmack hinterlässt.

Der Kläger, der bei der Beklagten zuletzt zu einem monatlichen Bruttoentgelt i.H.v. 2.295 Euro bei 42 Stunden wöchentlich tätig war und dort in einem sog. „rollenden“ Schichtsystem arbeitete, wurde im Mai 2018 in den Betriebsrat der Beklagten gewählt. Im Monatsgespräch Mitte Dezember 2018 informierte der Betriebsrat die Geschäftsführung darüber, dass der Kläger ab dem 01.01.2019 freigestellt sei und „dieser regelmäßig die Arbeitszeit so legen wird, dass er möglichst viele Arbeitnehmer/innen erreicht, also von 7:00 Uhr bis 15:00 Uhr arbeitstäglich.“ Für das Jahr 2019 sah der Schichtplan der Beklagten eine Einordnung des Klägers in die Schicht „eins“ vor. Der Kläger übte seine Betriebsratstätigkeit ab dem 01.01.2019 sodann von Montag bis Freitag in der Zeit von 7:00 Uhr bis 15:50 Uhr aus. Dem mehrfach von der Beklagten geäußerten Wunsch, der Kläger möge mit ihr eine schriftliche Vereinbarung über die Festschreibung der neuen Arbeitszeiten von 7:00 Uhr bis 15:50 Uhr abschließen, lehnte der Kläger ab. In der Folgezeit zahlte die Beklagte keine Sonntagszuschläge sowie keine Nachtschicht- und Feiertagsprämien mehr. Dadurch entgingen dem Kläger – je nach Monat und der Anzahl der Feiertage – die entsprechenden Zuschläge und Prämien, die im Schnitt zwischen 500 und 600 Euro brutto, in manchen Monaten sogar über 700 Euro brutto lagen.

Einen Anspruch des Klägers auf Zahlung dieser Prämien und Zuschläge bejahten jedoch weder das Arbeitsgericht noch das Landesarbeitsgericht. Vielmehr ging das LArbG Erfurt davon aus, dass eine einvernehmliche Verlagerung der Arbeitszeit vorgenommen worden sei und entnahm dies der Erklärung des Betriebsrats, dass der Kläger zukünftig „regelmäßig die Arbeitszeit so legen wird, dass er möglichst viele Arbeitnehmer/innen erreicht, also von 7:00 Uhr bis 15:00 Uhr arbeitstäglich.“ Das Landesarbeitsgericht legte nämlich diese Aussage aus Sicht der Beklagten aus und kam zu dem Ergebnis, dass die Angabe der zukünftigen Arbeitszeiten nicht die Ankündigung der Bekanntgabe von Zeiten der Betriebsratstätigkeit und der Erreichbarkeit des Betriebsrats sei – so lautete nämlich die Auslegung des Betriebsrats; vielmehr sei die Aussage des Betriebsrats nur dahingehend zu verstehen gewesen, dass eine Verlegung der „Arbeitszeit“, und zwar der „regelmäßigen“, angekündigt werde. Die Beklagte sei mit dieser Verlegung der Arbeitszeit einverstanden gewesen und ab dem 01.01.2019 hätten die Parteien dies auch in dieser Weise praktiziert. Damit wurde Einvernehmen über die Verlagerung der Arbeitszeit erreicht.

Dieser einvernehmlichen Arbeitszeitverlagerung stand auch nicht der Arbeitsvertrag des Klägers entgegen, denn dort waren keine bestimmten Arbeitszeiten festgeschrieben. Die Weigerung des Klägers, die einvernehmliche Verlagerung der Arbeitszeit schriftlich festzuhalten, war aus Sicht des Landesarbeitsgerichts unerheblich. Auch die Auslegung des Klägers, die Erklärung des Betriebsrats habe lediglich die Bedeutung gehabt, das Betriebsratsmitglied zur Durchführung seiner Betriebsratstätigkeiten vom Arbeitsplatz abzumelden, musste vom Arbeitgeber so nicht verstanden werden. Denn ein freigestelltes Betriebsratsmitglied muss sich gerade nicht jedes Mal bei Verlassen des Arbeitsplatzes abmelden.

Die Entscheidung zeigt auf, dass die Sorgfalt des Betriebsrats hinsichtlich der Wortwahl seiner Erklärungen gegenüber dem Arbeitgeber nicht groß genug sein kann. Im vorliegenden Fall hätte dem freigestellten Betriebsratsmitglied gemäß § 611a Abs. 2 BGB in Verbindung mit seinem Arbeitsvertrag und § 37 Abs. 2 und Abs. 4 BetrVG sein Arbeitsentgelt weitergezahlt werden müssen, und zwar so, wie wenn es nicht freigestellt wäre und seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen erfüllt hätte, d.h. im Schichtsystem, bei Nacht und an Feiertagen. Denn nach § 37 Abs. 4 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Zu diesem Entgelt hätten auch alle Zuschläge für Arbeiten zu besonderen Zeiten (in der Nacht und an Sonn- und Feiertagen) gehört, auch wenn die Betriebsratstätigkeit des freigestellten Betriebsratsmitglieds nicht zu diesen Zeiten geleistet wurde. Voraussetzung für diese Vorgehensweise ist jedoch, dass die Betriebsratstätigkeit der Grund für die Arbeit außerhalb zuschlagspflichtiger Zeiten war. Weil die Parteien aber gerade durch die Erklärung des Betriebsrats und deren Annahme durch den Arbeitgeber die Arbeitszeit des Klägers einvernehmlich auf einen nicht zuschlagspflichtigen Zeitraum verlegt haben, entfiel der Anspruch des Klägers. Es bleibt – wie gesagt – ein sehr bitterer Beigeschmack für das freigestellte Betriebsratsmitglied. Denn das hat der Betriebsrat so sicherlich nicht gewollt.

Fußnoten

1) LArbG Erfurt, Urt. v. 09.02.2022 – 4 Sa 265/20.

(AnwZert ArbR 2022)