Wir alle schlagen uns tagtäglich mit Ausschlussfristen herum. Das Prinzip ist klar und dennoch tauchen immer wieder neue Fragen zum Thema auf. Wie ist – bei Geltung einer Ausschlussfrist – beispielsweise mit denjenigen Ansprüchen zu verfahren, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden? Gegenstand unterschiedlichster Entscheidungen ist die Frage, wie Ausschlussfristen im Rahmen einer Bestandsschutzstreitigkeit zu wahren sind, insbesondere, hinsichtlich welcher Ansprüche Ausschlussfristen durch die Erhebung einer Bestandsschutzklage gewahrt werden können.

Mehrfach hat bislang das BAG dazu Stellung genommen, wie im Verlauf eines Kündigungsschutzprozesses fällig werdende Ansprüche, beispielsweise Annahmeverzugslohnansprüche, geltend gemacht werden müssen. Zuletzt hat das BAG im Jahr 2014 nochmals festgestellt, dass ein Arbeitnehmer mit einer Bestandsschutzklage die erste Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist für alle vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche wahrt, ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedarf1. Mit einer solchen Klage erstrebe der Arbeitnehmer nämlich nicht nur die Erhaltung seines Arbeitsplatzes, sondern bezwecke darüber hinaus, sich die Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs zu erhalten. Die Ansprüche müssen weder ausdrücklich bezeichnet noch beziffert werden2.

Zugleich macht der Arbeitnehmer nach einer weiteren Entscheidung des BAG3 mit einer Bestandsschutzklage die vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche im Sinne der zweiten Stufe einer tarifvertraglich geregelten Ausschlussfrist „gerichtlich geltend“. Denn gemäß Art. 2 Abs. 1 GG dürfe den Prozessparteien der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden4. Tarifvertragliche Ausschlussfristen, die eine rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung vorsehen, sind verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die vom Erfolg einer Bestandsschutzstreitigkeit abhängigen Ansprüche bereits mit der Klage in der Bestandsstreitigkeit gerichtlich geltend gemacht sind. Dass die Ansprüche nicht in einer den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechenden Bestimmtheit geltend gemacht werden, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen hinzunehmen5.

In einer aktuellen Entscheidung des BAG6 stellte sich nunmehr die Frage, ob diese Grundsätze auch bei der Geltendmachung von Urlaubsabgeltungsansprüchen gelten, d.h. ob Urlaubsabgeltungsansprüche somit zu den aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses resultierenden Ansprüchen gehören. Dies hätte zur Folge, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung durch Erhebung der Kündigungsschutzklage wirksam geltend gemacht werden könnte. Mögliche Ausschlussfristen wären damit gewahrt.

Die Konstellation ist oftmals folgende: Auf eine arbeitgeberseitige Kündigung hin erhebt der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage. Noch während des Prozessverlaufs würden nach Ablauf der Kündigungsfrist mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses an sich Urlaubsabgeltungsansprüche fällig. Eine gesonderte Geltendmachung innerhalb der Ausschlussfrist erfolgt nicht. Der Kläger schließt erheblich später, zumindest jedoch nach Ablauf aller Ausschlussfristen, einen Vergleich, in welchem er sich u.a. mit dem Arbeitgeber auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum ursprünglichen Kündigungstermin einigt. Eine Regelung zu dem noch abzugeltenden Urlaub wird in dem Vergleich nicht getroffen, der Arbeitgeber will allenfalls das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abrechnen. Ist der Urlaubsabgeltungsanspruch nunmehr verfallen oder nicht?

Das BAG7 geht in dieser Fallkonstellation von einem Verfall des Anspruchs aus. Es verneint nämlich die Frage, ob durch Erhebung der Kündigungsschutzklage der Urlaubsabgeltungsanspruch mit geltend gemacht wird. Die Begründung lautet, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht an den Erfolg der Kündigungsschutzklage bzw. an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses anknüpfe. Er setze gerade das Gegenteil, nämlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, voraus. Daher genüge die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht, um den Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs zu verhindern8. Denn mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage bringe der Arbeitnehmer deutlich zum Ausdruck, dass er das für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung maßgebliche Tatbestandsmerkmal der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade nicht als gegeben ansehe. Daher könne der Arbeitgeber ohne weitere Anhaltspunkte, beispielsweise einen echten Hilfsantrag auf Urlaubsabgeltung, der Bestandsschutzklage nicht entnehmen, dass der Arbeitnehmer auch auf die Erfüllung solcher, an die Beendigung anknüpfenden Ansprüche, bestehe.9

In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte der Arbeitnehmer im Dezember 2015, somit einen Monat nach Abschluss des Vergleichs am 13.11.2015, der wiederum mehr als ein Jahr nach dem letztlich vereinbarten Beendigungszeitpunkt (31.10.2014) lag, seinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung gerichtlich geltend gemacht. Im geschlossenen Vergleich hatte die Beklagte weder auf die geltenden Ausschlussfristen verzichtet noch wurde die Zahlung einer Urlaubsabgeltung vereinbart. Die Beklagte hatte kurz vor Abschluss des Vergleichs auf den Hinweis des Klägers lediglich erklärt, das Arbeitsverhältnis werde ordnungsgemäß abgerechnet. Dieser Aussage konnte das BAG allerdings keinen Hinweis entnehmen, die Beklagte werde die Urlaubsabgeltung leisten. Allein die Aussage der Beklagten, das Arbeitsverhältnis werde ordnungsgemäß abgerechnet, erlaube nicht die Annahme eines Rechtsbindungswillens, auf eine Ausschlussfrist zu verzichten und bereits verfallene Ansprüche zu erfüllen, so das BAG.10

Fußnoten

1) BAG, Urt. v. 24.09.2014 – 5 AZR 593/12 Rn. 27 – BAGE 149, 169.
2) St. Rspr., vgl. BAG, Urt. v. 19.09.2012 – 5 AZR 627/11 Rn. 14 m.w.N. – BAGE 143, 119.
3) BAG, Urt. v. 19.09.2012 – 5 AZR 627/11 Rn. 15, 18 ff. – BAGE 143 ,119.
4) BVerfG, Beschl. v. 01.12.2010 – 1 BvR 1682/07 Rn. 21 ff.
5) BAG, Urt. v. 19.09.2012 – 5 AZR 627/11 Rn. 15, 18 ff. – BAGE 143 ,119.
6) BAG, Urt. v. 17.10.2017 – 9 AZR 80/17.
7) BAG, Urt. v. 17.10.2017 – 9 AZR 80/17 Rn. 37.
8) BAG, Urt. v. 21.02.2012 – 9 AZR 486/10 Rn. 24.
9) BAG, Urt. v. 17.10.2017 – 9 AZR 80/17 Rn. 44.
10) BAG, Urt. v. 17.10.2017 – 9 AZR 80/17 Rn. 44.

Erschienen im: AnwZert ArbR 1/2018 Anm. 1