Freigestellte Betriebsratsmitglieder haben es doch gut, oder? Sie müssen nicht mehr in Wechselschicht oder Rufbereitschaft, nachts oder an Sonn- oder Feiertagen arbeiten, und auch ansonsten können Sie recht frei agieren – so die wohl gängige Ansicht der Kollegen. Dass sich Betriebsratsmitglieder im Fall ihrer vollständigen Freistellung auch leicht schlechterstellen können, zeigen eine Entscheidung des LArbG Erfurt1 sowie eine aktuelle Entscheidung des LArbG Frankfurt.2
In der Entscheidung des LArbG Erfurt hatten die Parteien anlässlich der Betriebsratsarbeit des Klägers dessen Arbeitszeit einvernehmlich auf einen Zeitraum außerhalb zuschlagspflichtiger Zeiten verlegt mit der Folge, dass ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der Zuschläge entfiel.
Ähnlich fiel die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts aus, der zufolge ein nach § 38 BetrVG freigestelltes Betriebsratsmitglied nur dann Anspruch auf Zuschläge wegen Nacht-, Sonn- oder Feiertagsarbeit sowie auf eine Rufbereitschaftspauschale hat, wenn es die Betriebsratsarbeit auch unter diesen erschwerten Bedingungen erbringt. Führt das freigestellte Betriebsratsmitglied die Betriebsratstätigkeit hingegen ausschließlich zu den üblichen Bürozeiten von Montag bis Freitag aus, stehen ihm die Zulagen nicht zu – und zwar auch dann nicht, wenn das Betriebsratsmitglied vor der Freistellung entsprechend gearbeitet hat und die Zuschläge erhalten hat.
Ein Anspruch folge nicht – so das Landesarbeitsgericht – aus § 37 Abs. 2 BetrVG, der keinen eigenständigen Vergütungsanspruch begründe. Er sichere lediglich den Entgeltanspruch des Betriebsratsmitglieds aus § 611a Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag, indem er dem Arbeitgeber den Einwand des nicht erfüllten Vertrags nimmt. Das Verbot der Minderung des Arbeitsentgelts bedeutet lediglich, dass dem Betriebsratsmitglied dasjenige Arbeitsentgelt weiter zu zahlen sei, das es verdient hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit geleistet, sondern gearbeitet hätte. Auch § 37 Abs. 4 BetrVG begründet keinen Anspruch des Klägers. Nach dieser Vorschrift darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. § 37 Abs. 4 BetrVG gewährt einem Betriebsratsmitglied lediglich einen Anspruch auf Erhöhung seines Entgelts in dem Umfang, in dem das Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung steigt.3 Jedoch hatte der Kläger vorliegend nicht die Erhöhung, sondern die Fortzahlung des ihm aus seiner Sicht zustehenden Entgelts gefordert. Das Gericht verneinte einen Anspruch des Klägers für die ihm ursprünglich gezahlte Wechselschichtzulage und einer Zulagenpauschale, bestehend aus Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschlägen sowie einer Rufbereitschaftspauschale. Denn der Kläger übte seine Betriebsratstätigkeit nicht in Wechselschicht aus, sondern während der allgemeinen Bürozeiten zwischen 8:00 Uhr und ca. 17:00 Uhr. Auch war er weder an Sonn- oder Feiertagen tätig noch arbeitete er in Rufbereitschaft. Der Verlust der Zulagen beruhte daher nicht auf der Freistellung des Klägers, sondern darauf, dass er eigenverantwortlich seine Betriebsratstätigkeit zu den üblichen Geschäftszeiten ausübte.
Eine Benachteiligung nach § 78 Satz 2 BetrVG liegt in dieser Rechtsprechung nicht, so das Landesarbeitsgericht. Denn der Kläger wird im Vergleich zu seinen Kollegen nicht schlechtergestellt, da er mit den von ihm genannten Mitarbeitern nicht vergleichbar ist. Vielmehr treffen den Kläger die besonderen Erschwernisse, die durch Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, Rufbereitschaft und Wechselschichtsystem ausgelöst werden, nicht mehr.
Wieder einmal zeigt sich, wie schnell freigestellte Betriebsratsmitglieder durch Veränderung der Arbeitsbedingungen, vor allen Dingen der Arbeitszeiten, Entgelteinbußen hinnehmen müssen. Freigestellte Betriebsratsmitglieder sollten daher sorgfältig planen, wie sie ihre Arbeitszeiten ausgestalten.