An dieser Stelle war schon lange nichts mehr von Berufsausbildungsverhältnissen zu lesen, was in erster Linie damit zusammenhängt, dass es wohl nicht allzu viele gerichtliche Auseinandersetzungen zu Kündigungen von Berufsausbildungsverhältnissen gibt, die dazu auch noch veröffentlicht werden.

Denn die meisten Streitigkeiten mit Auszubildenden verbleiben im Ausbildungsbetrieb und werden aufgrund der Tatsache, dass die Hürden für die Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses durch den Ausbildenden außerhalb der Probezeit außerordentlich hoch sind, vermutlich anderweitig geregelt.

Das ArbG Siegburg1 hat in einem aktuellen Urteil mit erfreulich unverblümter Sprache einem nicht mehr ganz jugendlichen Auszubildenden (23 Jahre) ins Stammbuch geschrieben, dass sich ein Ausbildender trotz der engen Grenzen des § 22 BBiG nicht alles gefallen lassen muss.

Der Kläger befand sich im Zeitpunkt des „Vorfalls“ zu Beginn des 2. Ausbildungsjahres zum Sport- und Gesundheitstrainer auf der Basis des BBiG, als er am 06.10.2021 im Fitnessstudio erschien, kommentarlos eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 06.10.2021 für den Zeitraum 05. bis 07.10.2021 auf den Tresen legte, und daraufhin ein intensives Krafttraining im Fitnessstudio des Beklagten ausführte. Für den 05. und 06.10.2021 war für den Kläger ein schulischer Nachprüfungstermin vorgesehen. Zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur Rede gestellt, habe der Kläger – so der Vortrag des Beklagten – erklärt, dass er es nicht geschafft habe, den Lernstoff für die Prüfung zu bearbeiten. Daher habe er sich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beschafft. Er habe auch erklärt, dass er gar nicht krank sei. Der Kläger hat diesen Vortrag der Beklagten mit Nichtwissen bestritten. Noch am gleichen Tag kündigte der Arbeitgeber dem Kläger fristlos. Der Kläger verteidigte seine Vorgehensweise, indem er vortrug, er habe sich mit seinem Training nicht genesungswidrig verhalten. Ihm sei es am Vormittag des 06.10.2021 wieder so gut gegangen, dass er seine Arbeit im Betrieb des Beklagten wieder habe aufnehmen können.

Das Arbeitsgericht hielt die außerordentliche fristlose Kündigung des Ausbildenden für wirksam. Den Behauptungen des Auszubildenden, er sei ganz plötzlich innerhalb von ca. 3 bis 4 Stunden genesen, schenkte das Arbeitsgericht keinen Glauben. Hierzu trug auch die die Arbeitsunfähigkeit begründende Diagnose mit dem ICD-Code B 86 bei, bei der es sich um einen Befall mit Krätzmilben handelt, und für die nach § 34 Infektionsschutzgesetz ein Aufenthaltsverbot in Gemeinschaftseinrichtungen besteht. Das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit stelle eine derart schwere Pflichtverletzung dar, so das Arbeitsgericht, dass das Vertrauen des Beklagten in den Kläger gänzlich zerstört worden sei. Daher könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Ausbildende es hinnimmt, derart getäuscht zu werden, weshalb es auch keiner vorherigen Abmahnung bedurfte.

Der Ausbildende hatte auch sonst alles richtig gemacht. Er hatte die Zweiwochenfrist des § 22 Abs. 4 Satz 1 BBiG eingehalten, und die Kündigung schriftlich und unter Angabe der Kündigungsgründe gemäß § 22 Abs. 3 BBiG erklärt.

Doch selbst wenn alle formellen Anforderungen vom Arbeitgeber gewahrt werden, ist die außerordentliche Kündigung eines Auszubildenden nicht ganz einfach. Denn ein wichtiger Grund setzt voraus, dass das Ausbildungsziel erheblich gefährdet und die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar ist.2 Im Rahmen der Interessenabwägung sind sodann ein ggf. jugendliches Alter des Auszubildenden und sein charakterliche Entwicklungsstand zu berücksichtigen.3 Hinzu kommt: Je länger bereits die Ausbildung andauert, umso schwerer wird es für den Ausbildenden, die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses als unzumutbar zu bewerten.

Kurz und gut: In einem Ausbildungsverhältnis hat der Ausbildende angesichts des jugendlichen Alters des Auszubildenden oftmals Nachsicht walten zu lassen. Eine fristlose Kündigung kann daher stets nur Ultima Ratio sein. Tauchen jedoch bereits zu Beginn des Ausbildungsverhältnisses Probleme auf, sollten Arbeitgeber noch innerhalb der Probezeit kündigen, die höchstens vier Monate betragen darf, § 20 BBiG. Nach der Probezeit ist die ordentliche Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses nicht mehr möglich. Der Ausbildende kann dann nur noch wegen eines wichtigen Grundes kündigen. Ausbildenden kann daher nur geraten werden, bei deutlichen Zweifeln nicht allzu lange zu warten, denn die bereits zurückgelegte Ausbildungszeit ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Je weiter die Ausbildung vorangeschritten ist, umso schwerer wird es, einen Auszubildenden, der sich pflichtwidrig verhält, zu kündigen.

Eine weitere Besonderheit bei der Kündigung eines Auszubildenden ist der Umstand, dass der Auszubildende im Kündigungszeitpunkt womöglich noch minderjährig ist. In diesem Fall ist die Kündigungserklärung an den oder die gesetzlichen Vertreter zu richten, § 131 Abs. 2 Satz 1 BGB. Zudem existieren bisweilen Schlichtungsausschüsse, weshalb dann § 111 Abs. 2 ArbGG gilt.

Fußnoten

1) ArbG Siegburg, Urt. v. 17.03.2022 – 5 Ca 1849/21.

2) BAG, Urt. v. 12.02.2015 – 6 AZR 845/13 – BAGE 151, 1-26.

3) Biebl in: Ascheid/Preis/Schmidt, § 22 BBiG Rn. 11.

(AnwZert ArbR 2022)