Normalerweise möchten Arbeitgeber gute Mitarbeiter so lange wie möglich an ihr Unternehmen binden. Eine arbeitsvertragliche Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfristen ist daher grundsätzlich möglich. Ob jedoch eine Kündigungsfrist von drei Jahren zum Monatsende angemessen ist, hatte das BAG1 jüngst zu entscheiden.
Die klagende Arbeitgeberin, ein bundesweit tätiges Speditions-und Transportunternehmen, hatte mit dem beklagten Arbeitnehmer eine arbeitsvertragliche Regelung, beginnend ab dem 01.12.2009, nach der dem Beklagten ein monatliches Bruttoentgelt von 1.400 Euro gezahlt werden sollte, wobei das unbefristete Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Probezeit von jeder Vertragspartei mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden konnte. Unter dem 14.06.2012 trafen die Parteien eine Zusatzvereinbarung, nach der sich das monatliche Bruttogehalt auf 2.400 Euro, bei einem monatlichen Reinerlös von 20.000 Euro auch auf 2.800 Euro brutto, erhöhen sollte. Gleichzeitig einigten sich die Parteien „im Hinblick auf die außerordentliche Gehaltserhöhung“ noch auf folgende Änderungen des Arbeitsvertrags: „Die gesetzliche Kündigungsfrist verlängert sich für beide Seiten auf drei Jahre zum Monatsende. Das gegenwärtig vereinbarte Gehalt wird bis zum Ablauf des 30.05.2015 nicht erhöht und bleibt bei einer späteren Neufestsetzung wieder mindestens zwei Jahre unverändert bestehen.“
Am 22.12.2014 bemerkte ein Mitarbeiter der Arbeitgeberin, dass im Auftrag der Arbeitgeberin das Programm „PC-Agent“ zur Überwachung der Arbeitnehmer im Betrieb installiert worden war. Das Programm dokumentierte unerkannt den Arbeitsverlauf auf allen Computern in der Filiale. Daraufhin kündigte der Beklagte sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.12.2014 zum 31.01.2015.
Die Arbeitgeberin erhob Klage auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten und vertrat die Ansicht, er habe das Arbeitsverhältnis aufgrund der individuell vereinbarten verlängerten Kündigungsfrist nicht zum 31.01.2015 kündigen können. Der Beklagte wiederum hielt die Verlängerung der Kündigungsfrist für unwirksam, da sie nicht ausgehandelt worden sei und zudem eine überraschende Klausel darstelle, die ihn entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Die in der Zusatzvereinbarung festgelegte Vergütung sei kein angemessener Ausgleich für eine derart lange Kündigungsfrist.
Das BAG schloss sich der Ansicht des beklagten Arbeitnehmers an. Die Verlängerung der Kündigungsfrist benachteilige den Arbeitnehmer nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Diese Vorschrift finde bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn sie nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und der Verbraucher auf ihre Formulierung keinen Einfluss nehmen konnte (sog. Einmalbedingungen).2 Daher handele es sich bei Arbeitsverträgen um Verbraucherverträge i.S.d. § 310 Abs. 3 Eingangshalbsatz BGB, wobei die Zusatzvereinbarung vom 14.06.2012 von der Arbeitgeberin vorformuliert war. Der Arbeitnehmer hatte im vorliegenden Fall keine Möglichkeit der Einflussnahme, da der Arbeitgeber den Kerngehalt der Vereinbarung nie ernsthaft zur Disposition gestellt hatte. Allein der Formulierung „im Hinblick auf die außerordentliche Gehaltserhöhung“ sei zu entnehmen, dass die Arbeitgeberin die Vergütungserhöhung nur in Verbindung mit der Verlängerung der Kündigungsfrist unter Festschreibung des Gehalts für knapp drei Jahre gewähren wollte. Zudem führte der Umstand, dass der Arbeitnehmer die Zusatzvereinbarung ohne Diskussion oder den Versuch, die Kündigungsfrist zu verkürzen, unterschrieben hatte, nicht dazu, dass er die Klausel freiwillig akzeptiert habe.
Aus diesem Grund sei die von der klagenden Arbeitgeberin vorformulierte Zusatzvereinbarung entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und somit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Denn die Arbeitgeberin habe, so das BAG, durch die einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten ihres Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne dessen Belange zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Von einer ausgewogenen Gestaltung der Regelung konnte vorliegend nach Ansicht des BAG keine Rede sein, da dem Arbeitnehmer im Gegenzug zur verlängerten Kündigungsfrist an anderer Stelle kein vertraglicher Vorteil gewährt wurde. Das dem Beklagten versprochene Höchstgehalt von 2.800 Euro brutto war vorliegend nicht geeignet, die unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch die langfristige vertragliche Bindung zu kompensieren, denn diesem Gehalt standen eine 45-Stunden-Woche, eine Vielzahl von Konkurrenzunternehmen der Klägerin im räumlichen Umfeld sowie das vereinbarte Recht der Klägerin, den Beklagten gegen Fortzahlung der Vergütung freizustellen und ihn damit für den Arbeitsmarkt für fast drei Jahre „einzufrieren“, entgegen. Diese unangemessene Benachteiligung des Beklagten wurde auch nicht dadurch kompensiert, dass die verlängerte Kündigungsfrist für den Arbeitgeber in gleicher Weise gelten sollte.
Obwohl die Zusatzvereinbarung in dem der BAG-Entscheidung zugrunde liegenden Urteil „speziell“ war, lassen sich doch einige Rückschlüsse auf (un)zulässige Vertragsgestaltungsmöglichkeiten ziehen. Zum einen bedeutet die gesetzliche Höchstgrenze einer Bindungsfrist eines Arbeitnehmers von fünfeinhalb Jahren nicht, dass nicht bereits kürzere Kündigungsfristen unangemessen sein können. Es kommt – wie so oft – auf den Einzelfall an. Die Frage, die in diesem Zusammenhang wohl zu stellen sein wird, ist, welchen Ausgleich der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die lange Bindung an das Unternehmen gewährt. Ein durchschnittliches Gehalt, das zudem noch für drei Jahre eingefroren werden sollte, ist dies sicherlich nicht. Arbeitgeber sollten daher bei der Vereinbarung derart langer Kündigungsfristen für eine entsprechende Kompensation beim Arbeitnehmer sorgen, wie immer diese im Einzelfall aussehen mag.
Fußnoten
1) BAG, Urt. v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16.
2) BAG, Urt. v. 17.11.2016 – 6 AZR 487/15 Rn. 20.
Erschienen im: AnwZert ArbR 4/2018 Anm. 1