Die Situation ist bekannt: Am Ende des Arbeitsverhältnisses erteilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wie gewünscht ein qualifiziertes Arbeitszeugnis, das jedoch so gar nicht den Vorstellungen des Arbeitnehmers entspricht und dieser daraufhin Nachbesserung des Zeugnisses verlangt, woraufhin der Arbeitgeber zwar nachbessert, jedoch nicht in dem gewünschten Umfang, woraufhin der Arbeitnehmer jetzt einen Anwalt einschaltet und dieser die gewünschten Änderungen unter Fristsetzung und Androhung rechtlicher Schritte durchzusetzen versucht.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist die Geduld des Arbeitgebers am Ende und er holt zum Gegenschlag aus. In der letzten Version des Zeugnisses lässt er einfach die Schlussformel weg, mit welcher er in den vorangegangenen Versionen noch sein Bedauern über den Weggang des Arbeitnehmers, seinen Dank für die geleistete Arbeit und die guten Wünsche für die Zukunft zum Ausdruck gebracht hatte. Der Arbeitnehmer macht daraufhin gerichtlich die Erteilung des Zeugnisses mitsamt der Schlussformel geltend.
Kann der Arbeitgeber jedoch so einfach die Schlussformel streichen? Müssen Arbeitnehmer zukünftig befürchten, dass der Arbeitgeber nach der Äußerung von Korrekturwünschen die Bedauerns-, Dankes- und Wünsche-Formel streichen darf?
Es kommt – wie immer – darauf an. Enthielt die Vorgängerversion des erteilten Zeugnisses, dessen Korrektur der Arbeitnehmer anstrebte, keine solche Schlussformel, hat der Arbeitnehmer auch im Rahmen der sog. Zeugniskorrektur keinen Anspruch auf die – sicherlich ein Arbeitszeugnis aufwertende – Schlussformel. Dies ist ständige Rechtsprechung des BAG, nach der das Interesse des Arbeitgebers, seine innere Einstellung sowie seine Gedanken- und Gefühlswelt nicht offenbaren zu müssen, höher zu bewerten ist als die durch die Verwendung einer Schlussformel erhöhten Bewerbungschancen des Arbeitnehmers.1
Selbst bei einer überdurchschnittlichen Bewertung soll ein Anspruch auf Bedauern, Dank und gute Wünsche nicht bestehen. Man kann nun darüber streiten, ob diese Rechtsprechung angesichts der vielfältigen Argumente, die gerade auch für einen solchen Anspruch sprechen könnten, insbesondere dass das Fehlen einer solchen Formulierung das Zeugnis faktisch abwertet, zumindest jedoch Fragen beim unbefangenen Leser auslöst (der im Zweifel kein Jurist ist) und somit die Bewerbungschancen des Arbeitnehmers verringern dürfte, in der praxisorientierten Arbeitswelt noch vertretbar erscheint. Fakt ist jedoch, dass auch nach ganz aktueller Rechtsprechung des BAG ein solcher Anspruch nicht besteht und daher alles Jammern nichts hilft.
Allerdings gibt es ein Aber: Hat nämlich der Arbeitgeber bereits in einer vorhergehenden Version des Zeugnisses eine solche Dankes- und Wunschformel aufgenommen, kann er in einer späteren Version nicht davon abrücken und plötzlich auf die Schlussformel verzichten. Der Arbeitgeber ist vielmehr an den Inhalt eines bereits erteilten Zeugnisses grundsätzlich gebunden.2 Von einer erteilten Bewertung kann er daher nur dann abrücken, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt werden, die eine solche abweichende Beurteilung rechtfertigen. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ebenso wie aus dem Rechtsgedanken des Maßregelungsverbots (§ 612a BGB), so das LArbG Hannover in einer aktuellen Entscheidung.3 Daher darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch nicht deshalb benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte wahrnimmt, etwa auf die Korrektur eines unrichtigen Zeugnisses dringt. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis nicht mehr besteht. Das LArbG Hannover ist im vorliegenden Fall davon ausgegangen, dass die Forderung nach Korrektur der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung „offenbar berechtigt“ gewesen sei, denn anderenfalls wäre die Beklagte dieser Forderung nicht nachgekommen.
Diese Schlussfolgerung des Gerichts liegt zwar nahe, aber wir sollten uns hinsichtlich der Zeugniskultur in unserem Land nichts vormachen. Nicht jede Zeugniskorrektur beruht auf einem berechtigten Verlangen, sieht man einmal von offensichtlichen Fehlern wie Rechtschreibfehlern, einem falschen Briefkopf, einem ausgefüllten Adressfeld im Zeugnis oder einem falschen Datum ab. Arbeitgeber scheuen meist den Aufwand eines Zeugnisstreits vor Gericht, insbesondere wenn es um die Benotung von Leistung und/oder Führung geht. Andererseits sind manche Arbeitszeugnisse auch lieblos geschrieben oder – sagen wir es einfach – handwerklich schlecht gemacht. Ein gutes Arbeitszeugnis benötigt nämlich Zeit. – Und wer will sich die heutzutage noch für einen scheidenden Mitarbeiter nehmen?
Kurz und gut: Die klaren Worte des LArbG Hannover sind zu begrüßen. Eine Verschlechterung im Rahmen einer Zeugniskorrektur ist nur möglich, wenn der Arbeitgeber nachträglich Umstände erfährt, die ihn zu einer abweichenden Beurteilung veranlassen. Ansonsten kann er von einer einmal getroffenen Bewertung nicht abweichen, auch wenn er sich noch so sehr über den Arbeitnehmer ärgert.
- BAG, Urt. v. 25.01.2022 – 9 AZR 146/21 Rn. 14.
- LArbG Hannover, Urt. v. 12.07.2022 – 10 Sa 1217/21.
- LArbG Hannover, Urt. v. 12.07.2022 – 10 Sa 1217/21 Rn. 75 mit Verweis auf BAG, Urt. v. 21.06.2005 – 9 AZR 352/04.
AnwZert ArbR 18/2022 Anm. 1