Ein Fall, wie ihn eigentlich nur das Leben schreiben kann, war vom LArbG Mainz1 zu entscheiden. Es ging um eine unwiderrufliche Freistellungserklärung, die im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Angebot eines Aufhebungsvertrages ausgesprochen wurde.

Die Freistellungserklärung lautete wie folgt: „Hiermit stellen wir Sie vom 14.09.2020 unwiderruflich von ihrer Tätigkeit frei unter Weiterzahlung der Bezüge“. Weiterhin bot die Beklagte dem Kläger im selben Personalgespräch einen Aufhebungsvertrag an, der eine dreieinhalbmonatige Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung ohne Abfindung vorsah. Der Kläger lehnte den Vertragsschluss ab. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hielt der Beklagten vor, dass diese den Kläger unwiderruflich ohne jeden Vorbehalt freigestellt habe, d.h. ohne zeitliche Begrenzung und ohne Anrechnung von Zwischenverdiensten. „Und unwiderruflich heißt unwiderruflich“, so der Prozessbevollmächtigte des Klägers weiter. Der Kläger sei 48 Jahre alt und trete erst in 18 Jahren und 3 Monaten in den gesetzlichen Ruhestand. Angesichts der unbefristeten und unwiderruflichen Freistellung entspräche dies einem Vergütungsvolumen von rund 2,1 Millionen Euro. Gegen die Zahlung von einem Viertel dieses Betrages könne sich der Kläger hingegen ein Ausscheiden zum 31.12.2021 vorstellen.

Die Beklagte lehnte dies ab, erklärte die Verhandlungen zum Aufhebungsvertrag für gescheitert und forderte den Kläger auf, seine Arbeit wieder aufzunehmen. Der Kläger sah jedoch aufgrund der unwiderruflichen unbegrenzten Freistellung hierzu keine Veranlassung und blieb der Arbeit fern. Mit Schreiben vom 21.10.2020 mahnte ihn die Beklagte daraufhin ab und kündigte unter dem 03.11.2020 das Arbeitsverhältnis wegen fortgesetzten unentschuldigten Fehlens außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht hielten die Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung nach § 626 BGB für gerechtfertigt. Sie legten nämlich die unwiderrufliche Freistellungserklärung in der Weise aus, dass diese lediglich die Zeitspanne abdecken sollte, bis klar war, ob der Kläger den ihm angebotenen Aufhebungsvertrag annehmen würde oder nicht. Sie konnte nicht dahingehend verstanden werden, dass die Beklagte den Kläger unabhängig von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Renteneintritt habe freistellen wollen. In dem Augenblick, als offenkundig war, dass der Aufhebungsvertrag nicht zustande kommen würde, entfiel somit auch die Freistellungswirkung. Hierbei trug der Kläger das Risiko einer rechtlichen Fehleinschätzung hinsichtlich der Frage, ob er die Arbeitsaufnahme habe verweigern dürfen.

Das Landesarbeitsgericht führte hierzu aus, dass nach § 133 BGB bei der Auslegung einer Willenserklärung oder einer Individualvereinbarung „der wirkliche Wille zu erforschen sei und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist“2. Daher habe die Interessenlage der Vertragsparteien nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers habe sich unzweideutig aus dem Zusammenspiel von Freistellungserklärung und Unterbreitung des Aufhebungsangebots ergeben, dass die Freistellungserklärung nur so lange gelten sollte, bis der Aufhebungsvertrag unterzeichnet ist. Selbst wenn man die Freistellungserklärung als typische Erklärung i.S.d. §§ 305 ff. BGB behandeln wollte, für deren Auslegung die für die allgemeinen Geschäftsbedingungen entwickelten Grundsätze gelten, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch Allgemeine Geschäftsbedingungen sind so auszulegen, „wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden“.3 Die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB („Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.“) setze – so das LArbG Mainz – voraus, dass die Auslegung einer AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Da jedoch aus Sicht des LArbG Mainz die Auslegung der Freistellungserklärung nur zu einem einzigen vertretbaren Ergebnis führte, kam eine Anwendung der Unklarheitenregelung vorliegend nicht in Betracht.

Man könnte fast sagen, die Beklagte hatte mit ihrer unwiderruflichen und unbefristeten Freistellung noch einmal Glück gehabt. Klar ist, dass kein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer 18 Jahre unter Fortzahlung der Vergütung freistellen möchte. Es gibt jedoch keine Garantie, dass ein nur leicht abgewandelter Hergang der Geschehnisse zu einer anderen Auslegung hätte führen können. Freistellungserklärungen, die wie im vorliegenden Fall der Vorbereitung eines Aufhebungsvertrags dienen, sollten daher zeitlich befristet und keinesfalls unwiderruflich ausgesprochen werden.

Fußnoten

  1. LArbG Mainz, Urt. v. 03.03.2022 – 5 Sa 209/21.
  2. LArbG Mainz, Urt. v. 03.03.2022 – 5 Sa 209/21 Rn. 46.
  3. LArbG Mainz, Urt. v. 03.03.2022 – 5 Sa 209/21 Rn. 49.

AnwZert ArbR 19/2022 Anm. 1