Oftmals frage ich meine Mandanten, ob sie wissen, ob auf ihr Arbeitsverhältnis eine Ausschlussfrist Anwendung findet. Die Antwort ist häufig: „Was ist eine Ausschlussfrist?“.
Mittlerweile gelten für fast jedes Arbeitsverhältnis Ausschlussfristen, sei es durch eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag selbst
oder über den auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findenden Tarifvertrag.
Doch selbst dann, wenn durch die Geltendmachung eines Anspruchs erkennbar Ausschlussfristen gewahrt werden sollen, ist – wie die umfangreiche hierzu ergangene Rechtsprechung zeigt – die Geltendmachung eines Anspruchs an sich, um ihn vor dem Verfall zu retten, ebenfalls kein leichtes Unterfangen.
So hat z.B. in einem vom LArbG Köln1 zu entscheidenden Fall ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber die fehlenden Stundennachweise zukommen lassen mit dem Zusatz: „Außerdem habe ich auch noch Überstunden aus 2012 zur Info drangehangen (auch wenn das in England keinen interessiert …).“ Das LArbG Köln hat darin keine wirksame Geltendmachung von Ansprüchen im Sinne einer Ausschlussfrist gesehen. Eine solche Geltendmachung verlange vielmehr, dass die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufgefordert werde. Der Kläger habe jedoch mit seinem Schreiben überhaupt keinen Anspruch geltend gemacht, sondern die Überstunden ausdrücklich nur „zur Info drangehangen“.
In einem vom BAG2 im Jahr 2002 zu entscheidenden Fall machte der Arbeitnehmer im Januar 1997 seinen Anspruch schriftlich wie folgt geltend: „Ich hatte damit gerechnet, dass ich zum Jahresende 1996 einen Ausgleich oder eine materielle Anerkennung für mehr als 700 geleistete Überstunden während der Monate Mai, Juni, Juli, Oktober und September 1996 erhalte. Einen solchen Ausgleich gab es nicht, deshalb melde ich der reinen Ordnung halber hierauf einen Anspruch an.“ Auch dieses Schreiben genügte nicht den Anforderungen des BAG an eine wirksame Geltendmachung eines Anspruchs. Nach Ansicht des BAG erfordert eine wirksame Geltendmachung nämlich, dass der Anspruch nach Grund und Höhe hinreichend deutlich beziffert wird. Der Gläubiger muss zudem Erfüllung verlangen.3 Diesen Anforderungen genügt das Schreiben vom Januar 1997 nicht. Der Kläger hatte darin nämlich weder einen bezifferten Zahlungsanspruch genannt noch die Abgeltung einer bestimmten Anzahl von Überstunden verlangt. Vielmehr hat er lediglich einen Ausgleich oder eine materielle Anerkennung gefordert. Der Arbeitgeberin war es daher nicht möglich, sich darauf einzustellen, welchen Ausgleich, insbesondere in welcher Höhe, oder welche Form der Anerkennung sich der Kläger vorstellte. Schon weil die Parteien vereinbart hatten, Überstunden seien bereits mit dem Monatsentgelt abgegolten, hätte der Kläger seine Forderung spezifizieren müssen.
Ebenso wenig genügt ein Schreiben des Arbeitnehmers, er behalte sich die Geltendmachung seiner Ansprüche vor oder bitte „um Prüfung“ seiner Eingruppierung.
Erforderlich ist vielmehr stets, dass klar zum Ausdruck gebracht wird, dass an die Gegenseite ein bestimmter, wenn möglich bezifferter Anspruch gestellt wird.
Hierbei braucht die Aufforderung zur Erfüllung nicht wörtlich erklärt zu werden. Es reicht jedoch nicht aus, wenn der Betriebsrat den Arbeitgeber auffordert, eine Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf eine freiwillige Zulage „in schriftlicher Form zu begründen“ und eine solche Anrechnung „noch einmal zu überdenken“.4
Hier zeigt sich wieder einmal, dass es bei der scheinbar „problemlosen“ Geltendmachung von Ansprüchen – abgesehen von den zu wahrenden Fristen wie z.B. Verfall- oder Verjährungsfristen – auch auf die Feinheiten einer Formulierung ankommen kann.
Erschienen im: AnwZert ArbR 4/2016 Anm. 1