Eine kurze Pressemitteilung des BAG[1] September dieses Jahres wird wohl weitreichende Auswirkungen haben auf den zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern stark umkämpften Dauerbrenner, ob unbillige Weisungen des Arbeitgebers von Arbeitnehmern erst einmal zu befolgen sind, bis deren Unwirksamkeit gerichtlich festgestellt ist, oder ob Arbeitnehmer die Befolgung unbilliger Weisungen zukünftig verweigern dürfen.

Hintergrund der Pressemitteilung zur Stellungnahme des Fünften Senats ist die Anfrage des Zehnten Senats des BAG[2], ob der Fünfte Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung, nach der ein Arbeitnehmer an eine Weisung des Arbeitgebers, die nicht aus sonstigen Gründen unwirksam ist, vorläufig gebunden ist, bis durch ein rechtskräftiges Urteil gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung festgestellt wird,[3] weiterhin festhält.

Anlass für die Divergenzanfrage des Zehnten Senats war der von ihm zu entscheidende Fall, in welchem sich ein Arbeitnehmer weigerte, der Weisung der Beklagten nachzukommen, statt am Standort Dortmund nunmehr am Standort Berlin seine Arbeitsleistung zu erbringen. Als der Kläger seine Tätigkeit in Berlin verweigerte, kündigte die Beklagte nach mehrfacher Abmahnung das Arbeitsverhältnis fristlos. Der Kläger wehrte sich gegen die Versetzung, forderte die Entfernung zweier Abmahnungen und machte darüber hinaus seine Vergütung geltend.

Der Zehnte Senat wollte die Auffassung vertreten, dass der Arbeitnehmer im Anwendungsbereich des § 106 GewO eine unbillige Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber nicht befolgen muss, auch wenn keine dementsprechende rechtskräftige Entscheidung eines Gerichts für Arbeitssachen vorliegt. Angesichts der Rechtsprechung des Fünften Senats setzte der Zehnte Senat den Rechtsstreit aus und fragte gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG an, ob der Fünfte Senat an seiner Rechtsauffassung festhalte.

Der Fünfte Senat antwortete darauf hin, dass er an seiner Rechtsauffassung nicht mehr festhalte.[4]

Die Folge dieser absehbaren Rechtsprechungsänderung ist, dass – eine entsprechende Entscheidung des Zehnten Senats im oben geschilderten Fall vorausgesetzt – Arbeitnehmer zukünftig unbillige Weisungen des Arbeitgebers nicht mehr befolgen müssen.

Zugegeben – das hört sich erst einmal gut an. Allerdings wird diese Rechtsprechung Arbeitgeber, die von der Billigkeit ihrer Weisung überzeugt sind, nicht davon abhalten, Arbeitnehmer weiterhin abzumahnen und Ihnen letztendlich sogar zu kündigen, sollten diese sich weigern, einer Weisung Folge zu leisten. Ob eine Weisung billig oder unbillig ist, lässt sich – wie sollte es auch anders sein – nicht immer eindeutig bestimmen. Damit sind es letztlich die Arbeitnehmer, die im Verweigerungsfall das Risiko tragen, die Billigkeit oder Unbilligkeit der Arbeitgeber-Weisung richtig eingeschätzt zu haben.

Zumindest jedoch werden Arbeitgeber durch diese Rechtsprechung angemahnt, Weisungen zukünftig gründlicher auf ihre Billigkeit hin zu überprüfen, um Auseinandersetzungen um Abmahnungen, Kündigungen und Lohnansprüche zu vermeiden.

[1] BAG, Antwortbeschl des 5. Senats v. 14.9.2017 – 5 AS 7/17 – derzeit nur als Pressemitteilung Nr. 37/17 verfügbar.

[2] Vgl. hierzu auch Linnartz, AnwZert ArbR 13/2017 Anm. 1 – juris.

[3] BAG, Urt. v. 22.02.2012 – 5 AZR 249/11 –, BAGE 141, 34-41.

[4] BAG, Antwortbeschl des 5. Senats v. 14.9.2017 – 5 AS 7/17 – derzeit nur als Pressemitteilung Nr. 37/17 verfügbar.

 

Erschienen im: AnwZert ArbR 20/2017 Anm. 1