Dieses Mal soll an dieser Stelle auf ein zwar „altes“, aber immer wieder aktuelles Thema eingegangen werden, da das Leben bekanntlich die spannendsten Geschichten schreibt, nämlich den – wie auch immer gearteten – Verzicht eines Arbeitnehmers auf Erhebung der Kündigungsschutzklage.
In der Praxis haben sich mehrere Fallvarianten herausgebildet:
(1) Der Arbeitnehmer verzichtet auf die Kündigungsschutzklage noch vor Ausspruch der Kündigung.
(2) Arbeitgeber und Arbeitnehmer schließen einen auflösend bedingten Arbeitsvertrag, in dem vereinbart ist, dass das Arbeitsverhältnis aus einem bestimmten Grund ohne weiteres endet.1
(3) Der Arbeitnehmer unterzeichnet unmittelbar nach Ausspruch der Kündigung eine – ggf. formularmäßig vorgegebene – Verzichtserklärung auf die Kündigungsschutzklage.2
Die erste Fallkonstellation ist relativ einfach zu lösen; jedoch sollen aus aktuellem Anlass, nämlich einer Entscheidung des LArbG Mainz aus dem Jahr 20183 , die dortigen Ereignisse nochmals kurz dargestellt werden. Um es vorwegzunehmen: Der Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage vor Ausspruch der Kündigung ist unwirksam. Dies hat bereits das BAG4 vor nahezu 45 Jahren festgestellt. In dem vom LArbG Mainz zu entscheidenden Fall war hingegen vieles streitig. Unstreitig war jedoch, dass in einem Gespräch zwischen den Parteien Ende Mai 2016 über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesprochen wurde. In diesem Gespräch hat der Kläger den Geschäftsführer der Beklagten darum gebeten, sein Arbeitsverhältnis nicht wie ursprünglich beabsichtigt zum 30.06.2016, sondern erst zum 31.07.2016 zu beenden, damit er im Anschluss Arbeitslosengeld beziehen könne. Die Beklagte war damit einverstanden und die Parteien kamen überein, dass das Arbeitsverhältnis nicht bereits zum 30.06.2016, sondern erst aufgrund einer erneut auszusprechenden Kündigung zum 31.07.2016 enden sollte. Nachdem dem Kläger die Kündigung zugegangen war, erhob er Kündigungsschutzklage. Die Beklagte berief sich u.a. darauf, dass der Kläger im Rahmen des Ende Mai geführten Gesprächs konkludent auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet habe, indem er selbst den Wunsch geäußert habe, ihm nicht bereits zum 30.06.2016, sondern erst zum 31.07.2016 zu kündigen, und die Beklagte diesem Wunsch nachgekommen sei. Der Klage fehle daher bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Das LArbG Mainz ging nicht von einem wirksamen Verzicht auf die Kündigungsschutzklage aus. Denn im Voraus, also schon vor dem Ausspruch einer Kündigung, könne eine Arbeitnehmer nicht auf den Kündigungsschutz wirksam verzichten.5
Vor diesem Hintergrund musste das Landesarbeitsgericht erst gar nicht prüfen, ob in der Bitte des Klägers, das Arbeitsverhältnis erst zum 31.07.2016 zu kündigen, überhaupt ein solcher Verzicht zum Ausdruck gekommen wäre. Eindeutig schien dies aus Sicht des Landesarbeitsgerichts jedenfalls nicht zu sein.
Die zweite Fallkonstellation ergab sich aus der „findigen“ Idee eines Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer folgende Klausel6 in den Arbeitsvertrag hinein zu schreiben:
„ (…) den gewährten unbezahlten Urlaub – der nicht dem Erholungszweck dient – habe ich erhalten, um private Angelegenheiten zu erledigen.
Es gilt als vereinbart, dass ich die Arbeit am genannten Tage wieder aufnehme, andernfalls gilt, dass das Arbeitsverhältnis mit diesem Tage endet, ohne Rücksicht auf die Gründe des Fernbleibens.“
Damit wollte der Arbeitgeber vermutlich verhindern, dass der Kläger, der türkischer Staatsangehöriger war und seinen Urlaub in seiner Heimat verbringen wollte, nicht verspätet oder gar nicht mehr aus seinem Urlaub aus der Türkei zurückkehrt. Jedenfalls sollte das Arbeitsverhältnis bei Nicht-Rückkehr des Arbeitnehmers automatisch enden.
Es kam, wie es kommen musste: Der Arbeitnehmer meldete sich nach dem Urlaubsende nicht an dem vorgesehenen Tag, dem 09.04., sondern erst am 14.04. an seinem Arbeitsplatz zurück. Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Vereinbarung aufgelöst worden sei. Diese Ansicht teilt das BAG nicht. Es vertrat die Ansicht, dass auf den Kündigungsschutz ganz allgemein vor dem Ausspruch einer Kündigung nicht wirksam verzichtet werden könne. Nichts anderes sei jedoch auch ein auflösend bedingter Arbeitsvertrag mit dem vorliegenden Inhalt. Dieser Inhalt komme im Ergebnis einem Verzicht auf den Kündigungsschutz gleich. Denn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses sollte ohne Kündigung – und somit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist – beendet sein, obwohl möglicherweise eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt gewesen sein könnte.
Die dritte Fallkonstellation betrifft den formularmäßigen Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nach Zugang der Kündigungserklärung. In dem vom BAG entschiedenen Fall ließ der Arbeitgeber den Arbeitnehmer folgende Ausgleichsquittung unter der Überschrift „Arbeitspapiere“ unterzeichnen7 :
„Sehr geehrter Herr
anbei überreichen wir Ihnen die unten aufgeführten Arbeitspapiere mit der Bitte, uns den Empfang durch Ihre Unterschrift und Rückgabe dieses Schreibens zu bestätigen.
Hiermit bestätige ich, folgende Papiere ordnungsgemäß von der Firma F zurückerhalten zu haben:
X Lohnsteuerkarte + Lohnsteuerbescheinigung
Sozialversicherungsabmeldung
Lohnzettel
Lohnrestzahlung (Scheck)
Urlaubsnachweis
Kurzauswertung Entfernungs-km …
Ich (Arbeitnehmer) bestätige, dass ich weiter gehende Ansprüche aus und i.V.m. dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung nicht mehr gegen die Firma F habe. Eine Kündigungsschutzklage werde ich nicht erheben; eine bereits erhobene Kündigungsschutzklage werde ich unverzüglich zurücknehmen.
Die vorstehende Ausgleichsquittung habe ich sorgfältig gelesen und zur Kenntnis genommen.
Magdeburg 26.04.2011
_____________________________________
Unterschrift des ausgeschiedenen Mitarbeiters.“
Das BAG sah in dem formularmäßigen, ohne Gegenleistung erklärten Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB mit der Folge, dass der formularmäßige Verzicht unwirksam war. Denn der Kläger habe für den Klageverzicht keine Gegenleistung erhalten.
Hierbei stellt nach Ansicht des BAG die vom Arbeitgeber übernommene Verpflichtung, dem Arbeitnehmer ein Zeugnis mit einer überdurchschnittlichen Leistungs- und Führungsbeurteilung zu erteilen, keinen Vorteil dar, der geeignet wäre, die mit dem Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verbundene unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers auszugleichen.8 Zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sei vielmehr die Gewährung einer „angemessenen Kompensation“ erforderlich.9 Was jedoch im Einzelfall eine angemessene Kompensation sein soll, bleibt offen.
Es ist also gar nicht einfach, mit einem Arbeitnehmer wirksam den Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu vereinbaren. Arbeitgeber müssen sich in der Regel gedulden und abwarten, ob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt.
1) BAG, Urt. v. 19.12.1974 – 2 AZR 565/73.
2) BAG, Urt. v. 25.09.2014 – 2 AZR 788/13.
3) LArbG Mainz, Urt. v. 29.03.2018 – 4 Sa 243/17.
4) BAG, Urt. v. 19.12.1974 – 2 AZR 565/73.
5) Unter Verweis auf BAG, Urt. v. 19.12.1974 – 2 AZR 565/73.
6) BAG, Urt. v. 19.12.1974 – 2 AZR 565/73 Rn. 3-4 – BAGE 26, 417.
7) BAG, Urt. v. 25.09.2014 – 2 AZR 788/13.
8) BAG, Urt. v. 24.09.2015 – 2 AZR 347/14 – BAGE 153, 1.
9) BAG, Urt. v. 24.09.2015 – 2 AZR 347/14 Rn. 16 – BAGE 153, 1.