Welcher Rechtsanwalt kennt die Situation nicht: Es ist der letzte Tag der Frist und trotz guter Planung zieht sich die Fertigstellung des fristgebundenen Schriftsatzes bis in die Abendstunden. Nun muss dieser natürlich auch noch per Telefax ans Gericht gesendet werden. Dafür benötigt das Faxgerät in der Regel nicht mehr als wenige Minuten. Die Übersendung wäre daher grundsätzlich kein Problem, wenn nicht eine ganze Reihe anderer Kollegen ebenfalls noch kurz vor Mitternacht ihren Schriftsatz an das Gericht per Telefax senden möchten.

Das Problem liegt auf der Hand. Mehrere Übertragungsversuche bleiben erfolglos, da das Faxgerät des Gerichts belegt ist. Einem Kollegen ist es am 23.11.2017 ebenso ergangen. Er hat nach eigenem Vortrag ab 23:26 Uhr versucht, in drei Parallelverfahren jeweils einen 14-seitigen Berufungsbegründungsschriftsatz per Telefax an das Berufungsgericht zu senden. Dieses war jedoch zwischen 23:26 Uhr und 23:55 Uhr belegt. Erst um 23:55 Uhr und 23:58 Uhr war die Übersendung der Berufungsbegründungsschriftsätze in den beiden Parallelverfahren erfolgreich. Der letzte Schriftsatz – mit dessen Versendung bereits ab 23:42 Uhr erfolglos begonnen wurde – konnte erst im Anschluss daran abgeschickt werden und ging aus diesem Grund erst nach 0:00 Uhr beim Oberlandesgericht ein. Das OLG Düsseldorf1 hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kollege für die Faxversendung kurz vor Fristablauf um Mitternacht eine ausreichende Zeitreserve hätte einplanen müssen. Dem schloss sich der BGH2 in ständiger Rechtsprechung an.

Bedient sich somit ein Rechtsanwalt zur Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes eines Telefaxgeräts, hat er – so der BGH – folgende erhöhten (da letzter Tag der Frist!) Sorgfaltspflichten aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen3:

• Vorhalten eines funktionsfähigen Sendegeräts
• Ordnungsgemäße Nutzung dieses Sendegeräts
• Korrekte Eingabe der Empfängernummer
• Rechtzeitiger Beginn mit der Übertragung, so dass unter gewöhnlichen Umständen mit deren Abschluss vor 24:00 Uhr am Tage des Fristablaufs gerechnet werden kann4.

Wann nun ein rechtzeitiger Übertragungsbeginn vorliegt, dazu hat sich der BGH in seiner aktuellen Entscheidung konkreter, wenn auch nicht abschließend geäußert. Fest steht hiernach, dass „der Absender die Belegung des Empfangsgeräts des Gericht durch andere eingehende Sendungen – insbesondere auch in den Abend- und Nachtstunden – in Rechnung zu stellen und zusätzlich zur eigentlichen Sendedauer eine ausreichende Zeitreserve einzuplanen (hat), um ggf. durch Wiederholung der Übermittlungsvorgänge einen Zugang des zu übersenden Schriftsatzes bis zum Fristablauf zu gewährleisten“.5 Hierbei bemisst der BGH den zeitlichen „Sicherheitszuschlag“ allgemein mit „ungefähr 20 Minuten“.6

Mit der Übersendung des infrage stehenden Schriftsatzes wurde im vorliegenden Fall erst um 23:42 Uhr, also nur 18 Minuten vor Fristablauf, begonnen. Dies war nach Ansicht des BGH zu spät. Darüber hinaus fehlte es – so der BGH7 – zudem bereits an einer ausreichenden Zeitreserve angesichts der Tatsache, dass der Kollege Berufungsbegründungen in drei Parallelverfahren versenden wollte und damit erst um 23:26 Uhr begonnen hatte. Geht man einmal – wie der Kollege – davon aus, dass die Sendedauer pro Schriftsatz ca. 2-3 Minuten in Anspruch genommen hätte, hätte sich – so der BGH – die eigentliche Sendedauer nicht nur auf 6-9 Minuten erhöht; vielmehr hätte auch in den Pausen zwischen den einzelnen Übersendungsvorgängen das Faxgerät des Berufungsgerichts mit anderen Eingängen belegt werden können. Ein Sicherheitszuschlag von insgesamt lediglich 20 Minuten für drei Berufungsbegründungen sei daher von vornherein unzureichend gewesen. Offen lässt es jedoch der BGH, ob für jede der drei Berufungsbegründungen eine zeitliche Reserve von 20 Minuten hätte eingerechnet werden müssen. Denn allein schon bei Zugrundelegung eines Sicherheitszuschlags von insgesamt nur 30 Minuten wäre mit der Übersendung der drei Berufungsbegründungen im vorliegenden Fall zu spät begonnen worden.

Offen bleibt aus meiner Sicht zudem, was „ungefähr 20 Minuten“ sind. Sind 18 Minuten noch „ungefähr 20 Minuten“, oder doch eher 19 Minuten?

Bleiben wir also auf der „sicheren Seite“: Schriftsätze sind mit einem „Sicherheitspuffer“ von mindestens 20 Minuten vor Mitternacht per Telefax zu versenden. Offen bleibt weiterhin, ob dieser Sicherheitspuffer sich bei der Versendung mehrerer Schriftsätze entsprechend multipliziert. Dieser Problemkreis dürfte vermutlich zunehmend an Bedeutung verlieren, denn mittlerweile gibt es ja das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA). Dass es hier dann zu anderen Problemfällen kommen kann, zeigt allerdings die Entscheidung des ArbG Lübeck8.

Fußnoten

1) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.04.2018 – I-3 U 8/18.
2) BGH, Beschl. v. 23.10.2018 – III ZB 54/18.
3) BGH, Beschl. v. 23.10.2018 – III ZB 54/18 m. Verweis auf BGH, Beschl. v. 27.11.2014 – III ZB 24/14 Rn. 7 – FamRZ 2015, 323; BGH, Beschl. v. 16.12.2015 – IV ZB 23/15 und BGH, Beschl. v. 19.12.2017 – XI ZB 14/17.
4) BGH, Beschl. v. 27.11.2014 – III ZB 24/14 Rn. 7; BGH, Beschl. v. 06.04.2011 – XII ZB 701/10 Rn. 9 – NJW 2011, 1972, 1973; BGH, Beschl. v. 16.12.2015 – IV ZB 23/15; BGH, Beschl. v. 26.01.2017 – I ZB 43/16 Rn. 10 – NJW-RR 2017, 629; BGH, Beschl. v. 14.09.2017 – IX ZB 81/16 Rn. 7 – FamRZ 2017, 1946, 1947; BGH, Beschl. v. 19.12.2017 – XI ZB 14/17.
5) BGH, Beschl. v. 23.10.2018 – III ZB 54/18 Rn. 10 m.w.N.
6) BGH, Beschl. v. 26.01.2017 – I ZB 43/16 Rn. 10 m.w.N.; BVerfG, Beschl. v. 15.01.2014 – 1 BvR 1656/09 Rn. 38 – NVwZ 2014, 1084 „Zweitwohnungsteuertarif“.
7) BGH, Beschl. v. 23.10.2018 – III ZB 54/18 Rn. 13.
8) ArbG Lübeck, Urt. v. 10.10.2018 – 6 Ca 2050/18.