Immer wieder kommt es vor, dass Arbeitsentgelt oder Versorgungsbezüge eingeklagt werden und auch darüber ein Titel ergeht, in dem der geltend gemachte Betrag nicht näher mit „brutto“ oder „netto“ bezeichnet ist. Hier könnte man auf die Idee verfallen: Ist der Betrag nicht „brutto“ eingeklagt, kann er nach Erlass des Titels „netto“ gefordert werden.

So sah es auch der Kläger nach dem Abschluss des Verfahrens vor dem ArbG Kaiserslautern1, in welchem er die beiden Beklagten u.a. auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente i.H.v. „4.982,88 Euro“ und „13.518,68 Euro“, jeweils nebst Zinsen, ferner auf zukünftige Leistungen i.H.v. „177,96 Euro“ bzw. „482,81 Euro“ monatlich in Anspruch nahm. Eine Konkretisierung der Forderungen in den Klageanträgen durch „brutto“ oder „netto“ erfolgte nicht.

Die Beklagten erkannten nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Ansprüche an. Das Arbeitsgericht erließ daraufhin ein Anerkenntnisurteil mit den genannten Klageanträgen ohne den Zusatz „brutto“ oder „netto“. Beide Beklagte haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, weil der Kläger sich nach Erlass des Anerkenntnisurteils völlig überraschend auf den Standpunkt gestellt hatte, es handele sich bei den ausgeurteilten Beträgen um Nettobeträge. Der Kläger hatte die Beklagten nämlich aufgefordert, Nettozahlungen zu leisten. Aus Sicht der Beklagten bedurfte es einer Abänderung des Urteils dahingehend, dass die aus dem Tenor ersichtlichen Zahlbeträge jeweils um den Zusatz „brutto“ zu ergänzen seien.

Das LArbG Mainz2 hat die Berufung als unzulässig verworfen, da den Beklagten die Beschwer fehle, die Voraussetzung sei für die Zulässigkeit eines jeden Rechtsmittels. Aus dem Umstand, dass die Beklagten aufgrund ihres Anerkenntnisses zur Zahlung ohne den Zusatz „brutto“ verurteilt worden seien, ergebe sich keine formelle Beschwer. Denn fehle der Zusatz „brutto“, so bedeute dies nicht, dass die Beklagten die darauf entfallenden Steuern und Beiträge entrichten müssten. Aus dem Anerkenntnisurteil ergebe sich vielmehr, dass die Beklagten berechtigt und verpflichtet seien, die gesetzlichen Abzüge an das Finanzamt und die zuständige Krankenkasse abzuführen.

Was bedeutet es also, wenn ein Arbeitgeber zur Zahlung von Arbeitsentgelt „brutto“ verpflichtet wird? Das LArbG Mainz macht deutlich, dass der Zusatz „brutto“ lediglich klarstelle, was von Gesetzes wegen ohnehin gelte. Selbst wenn der Zusatz „brutto“ im Tenor fehle, ändere sich dadurch nicht die Belastung des Entgeltanspruchs mit öffentlich-rechtlichen Pflichten. Etwas anderes gelte nur dann, wenn eine Nettolohnvereinbarung getroffen worden sei, nach der die gesetzlichen Abgaben und Beiträge nicht zulasten des Arbeitnehmers gehen sollten. In einem solchen Fall müsse der Arbeitnehmer allerdings dann auch eine Nettolohnklage erheben und die begehrte Zahlung ausdrücklich als „netto“ bezeichnen.3 Denn anderenfalls verbleibe es bei der gesetzlichen Verteilung der Steuer- und Beitragslast.

Bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (Versorgungsbezügen) gilt – so das LArbG Mainz – nichts anderes. Der Versorgungsträger schuldet grundsätzlich Bruttobeträge.4 Das LArbG Mainz5 hat die Rechtsgrundlagen der Beiträge und Steuern für den interessierten Leser ausführlich dargestellt:

„Bezieher von Versorgungsbezügen sind in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung beitragspflichtig. Versorgungsbezüge sind vom Versorgungsempfänger zu versteuern. Nach §§ 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI tragen die Versorgungsempfänger die Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge aus den Versorgungsbezügen. Die Zahlstelle der Versorgungsbezüge (in der Regel der Arbeitgeber, hier die Pensions- und Unterstützungskasse) hat nach § 256 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI die Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge aus den Versorgungsbezügen einzubehalten und an den Sozialversicherungsträger zu zahlen. Dies entspricht dem Lohnabzugsverfahren bei aktiven Arbeitnehmern. Arbeitgeber oder Versorgungsträger sind auch verpflichtet, die nach §§ 19, 22 Abs. 5 EStG vom Versorgungsempfänger geschuldeten Steuern abzuführen.“

Es steht somit zwar dem Arbeitgeber oder Versorgungsträger frei, sich gegenüber dem Arbeitnehmer oder Versorgungsberechtigten zur Übernahme der Beitragslasten zu verpflichten. Jedoch ist eine derartige Vereinbarung die Ausnahme und muss aus diesem Grund unmissverständlich deutlich gemacht werden.6

Es bleibt also dabei: Fehlt bei einer klageweise geltend gemachten Forderung von Arbeitsentgelt oder Versorgungsbezügen eine Konkretisierung durch „brutto“ oder „netto“, so ist der Arbeitgeber dennoch bei entsprechender Titulierung zur Abführung von Steuern und Beiträgen verpflichtet. Der Arbeitnehmer kann sich nicht darauf berufen, den Betrag „netto“ beanspruchen zu können. Will der Arbeitnehmer den Betrag „netto“ ausbezahlt erhalten, so muss er ihn auch „netto“ einklagen.

Fußnoten

1) ArbG Kaiserslautern, Urt. v. 16.04.2018 – 2 Ca 474/17.
2) LArbG Mainz, Urt. v. 08.11.2018 – 5 Sa 187/18.
3) BAG, Beschl. v. 17.02.2016 – 5 AZN 981/15 Rn. 6 m.w.N.
4) BAG, Urt. v. 29.04.2008 – 3 AZR 266/06.
5) LArbG Mainz, Urt. v. 08.11.2018 – 5 Sa 187/18 Rn. 24.
6) BAG, Urt. v. 29.04.2008 – 3 AZR 266/06 Rn. 25 m.w.N.