Unterliegen Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess, so sehen Sie sich danach in der Regel mit Ansprüchen des Arbeitnehmers aus Annahmeverzugslohn konfrontiert. Die meisten Arbeitgeber ärgert dies. Denn sieht § 11 KSchG nicht vor, dass der Arbeitnehmer sich auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, anrechnen lassen muss, das er durch anderweitige Arbeit verdient hat oder das er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassenen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen? Und ist derzeit der Markt nicht außerordentlich günstig für ausgebildete Fachkräfte? Und sind bei der Bundesagentur für Arbeit im fraglichen Zeitraum nicht hunderte, gar Tausende passende Stellen, zugeschnitten auf das Anforderungsprofil und den Wohnort des Arbeitnehmers, ausgeschrieben gewesen? Warum also hat der Arbeitnehmer dann keine andere Stelle angenommen? Und warum muss er, der Arbeitgeber, dennoch den Annahmeverzugslohn zahlen, obwohl sich der Arbeitnehmer den von ihm böswillig unterlassenen Erwerb eigentlich anrechnen lassen müsste?

Diese Fragen hat sich sicherlich auch der Verfahrensbevollmächtigte des Arbeitgebers in dem kürzlich vom LArbG Frankfurt1 entschiedenen Rechtsstreit anhören müssen. Denn in diesem Fall hatte sich der Arbeitgeber geweigert, den von der Arbeitnehmerin geforderten Annahmeverzugslohn i.H.v. 2.423 Euro brutto/Monat für die Monate September 2015 bis einschließlich August 2016 zu zahlen. Der Arbeitgeber vertrat die Ansicht, die Klägerin habe es böswillig unterlassen, einer anderweitigen Beschäftigung nachzugehen. Hierfür spreche – so der Arbeitgeber – bereits das junge Alter der Klägerin sowie ihre Berufsausbildung, ferner die lange Zeitdauer der angeblichen Arbeitslosigkeit sowie die sehr guten Bewerbungschancen auf dem Arbeitsmarkt im Rhein-Main-Gebiet. Der Arbeitgeber behauptete, die Klägerin habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon zwischen 40 und 50 Aufforderungen zu Bewerbungen von der Bundesagentur erhalten. Er beantragte deshalb die Hinzuziehung der Akte der Bundesagentur für Arbeit. Für den Zeitraum 13.12.2016 bis 18.10.2017 seien mindestens 52 offene Stellen vorhanden gewesen, unter anderem 30 offene Stellen in B im Umkreis von C sowie 16 Stellen in A im Rhein-Main-Gebiet. Im Wege der Widerklage machte der Arbeitgeber daher zahlreiche Auskunftsansprüche geltend. Die Klägerin hingegen wollte sich einen Zwischenverdienst wegen böswilligen Unterlassens nicht anrechnen lassen. Sie habe sich arbeitssuchend gemeldet und sich um die von der Bundesagentur übersandten Bewerbungsangebote bemüht. Hätte sie dies nicht getan, hätte die Bundesagentur das Arbeitslosengeld zunächst gekürzt und letztlich gestrichen. Dies sei nicht der Fall gewesen. Der Arbeitgeber unterlag vor dem Arbeitsgericht.

In der Berufungsinstanz stellte er sinngemäß die Anträge, die Klägerin zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, welche Stellenangebote sie erhalten und aus welchen Gründen sie diese abgelehnt habe, ferner wann sie arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und welchen Zwischenverdienst sie erhalten habe. Alle ihre Auskünfte sollte sie an Eides statt versichern.

Das LArbG Frankfurt2 hielt die Berufung des Arbeitgebers für unbegründet. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Lohn unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges gemäß den §§ 611a Abs. 2, 615 BGB i.V.m. § 293 ff. BGB zu. Eine Anrechnung von Zwischenverdienst gemäß § 11 KSchG als lex specialis gegenüber § 615 Satz 2 BGB komme nicht in Betracht.3 Denn der Arbeitgeber trage die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer anderweitigen Verdienst erzielt habe. Hierzu habe der Arbeitgeber jedoch vorliegend nicht substantiiert vorgetragen.

Auch ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers mit der Begründung, die Arbeitnehmerin sei dem Auskunftsanspruch nach § 74c Abs. 2 HGB analog in Bezug auf die Höhe des anderweitigen Verdienstes nicht nachgekommen, scheidet aus. Dieses Auskunftsrecht setze nämlich voraus, dass der Arbeitnehmer im fraglichen Zeitraum überhaupt Einkünfte erzielt hat. Dies wiederum müsse jedoch der Arbeitgeber darlegen und beweisen.4 Erforderlich sei daher, dass der Arbeitgeber zumindest substantiiert Indizien dafür behauptet, dass der Arbeitnehmer anderweitigen Verdienst erzielt hat. Alles andere komme einem Ausforschungsbeweis und einer unangemessenen Beweislastumkehr nahe.

Auch eine Anrechnung des böswilligen Unterlassens nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG entfällt. Denn auch für eine böswillige, d.h. vorsätzliche Untätigkeit des Arbeitnehmers5 trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast.6

Es reicht somit völlig aus, dass ein Arbeitnehmer sich um eine Arbeit bemüht, indem er sich bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend meldet.7 Weitere Bemühungen werden ihm nicht abverlangt. Da sich die Klägerin vorliegend unstreitig bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet hat, war es Sache der Arbeitsagentur, der Klägerin eine passende Stelle zu vermitteln. Allein der Vortrag des Arbeitgebers, die Klägerin sei jung und verfüge über eine abgeschlossene Berufsausbildung, ferner habe es 1.502 offene Stellen gegeben, ist unsubstantiiert. Das Gericht war daher auch nicht gehalten, die Akte der Klägerin bei der Bundesagentur beizuziehen. Denn dies wäre wiederum auf einen Ausforschungsbeweis hinausgelaufen.

Auch hat ein Arbeitgeber kein Leistungsverweigerungsrecht, weil der Arbeitnehmer ihm die Auskunft nach § 74c Abs. 2 HGB analog im Hinblick auf den Vorwurf des böswilligen Unterlassens verweigert. Denn das Auskunftsrecht des Arbeitgebers bezieht sich nur auf die Frage, in welcher Höhe der Zwischenverdienst angefallen ist. Allenfalls besteht ein solches Recht noch im Hinblick auf die Frage, ob ein Zwischenverdienst angefallen ist, wenn belastbare Anhaltspunkte für eine Erwerbstätigkeit bestehen. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall. Selbst wenn man dem Arbeitgeber dieses Auskunftsrecht zugestehen wollte, hat die Arbeitnehmerin ihrer Pflicht genügt, indem sie sich arbeitssuchend gemeldet hat. Mehr konnte von ihr nicht erwartet werden. Sie stand dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.

Aus diesem Grund war auch die Widerklage mit allen Auskunftsanträgen unbegründet. Denn in ihnen ging im Wesentlichen um die Ausforschung von Umständen, die ein böswilliges Unterlassen hätten begründen können. Auch ein Anspruch auf Auskunftserteilung hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeitszeiträume kann aus § 74c HGB analog nicht hergeleitet werden. Das konkrete Auskunftsverlangen nach der Höhe des Zwischenverdiensts ist schon deshalb unbegründet, weil das Auskunftsrecht voraussetzt, dass der Arbeitnehmer im fraglichen Zeitraum überhaupt Einkünfte erzielt hat. Dies nachzuweisen wäre allerdings wiederum Aufgabe des Arbeitgebers gewesen.8 Hierzu hat der Arbeitgeber jedoch nicht in ausreichendem Maße vorgetragen.

Die Entscheidung des LArbG Frankfurt mag zwar für Arbeitgeber in denjenigen Fällen äußerst unbefriedigend sein, in denen es aufgrund Alter und Qualifikation des Arbeitnehmers nahelag, dass dieser leicht hätte Arbeit finden können. Denn Arbeitgebern, die keine Beweise oder zumindest belastbare Indizien für eine anderweitige (böswillig unterlassene) Beschäftigung des Arbeitnehmers haben, dürfen Arbeitnehmer den Annahmeverzugslohn nicht verweigern. Andererseits könnten Arbeitgeber ansonsten durch die Geltendmachung diverser Auskunftsverlangen nahezu jeden Annahmeverzugslohnanspruch torpedieren. In der Praxis würden vermutlich – das sei zugestanden – die allermeisten Auskunftsverlangen auf einen reinen Ausforschungsbeweis hinauslaufen.

Arbeitgeber, die ihren Annahmeverzug nach § 296 Satz 1 BGB verhindern möchten, haben allerdings die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer rechtzeitig einen anderen, adäquaten Arbeitsplatz anzubieten bzw. zuzuweisen.9 Solange Arbeitgeber anderenfalls jedoch keine belastbaren Hinweise auf eine anderweitige Beschäftigung des Arbeitnehmers während des Annahmeverzugs haben, müssen Sie wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und den Annahmeverzugslohn zahlen.

Fußnoten

1) LArbG Frankfurt, Urt. v. 11.05.2018 – 10 Sa 1628/17.
2) LArbG Frankfurt, Urt. v. 11.05.2018 – 10 Sa 1628/17.
3) § 11 KSchG ist lex specialis ggü. § 615 Satz 2 BGB in den Fällen, in denen eine Entscheidung des Gerichts über die Unwirksamkeit der Kündigung vorliegt, vgl. BAG, Urt. v. 24.02.2016 – 5 AZR 425/15 Rn. 13.
4) BAG, Urt. v. 19.02.1997 – 5 AZR 379/94.
5) Fahrlässiges, auch grob fahrlässiges Verhalten reicht nicht aus, vgl. BAG, Urt. v. 22.03.2017 – 5 AZR 337/16 Rn. 17.
6) BAG, Urt. v. 25.10.2007 – 8 AZR 917/06 Rn. 55.
7) Andere Ansicht BAG, Urt. v. 16.05.2000 – 9 AZR 203/99: Nach dieser Entscheidung ist der Arbeitnehmer nicht einmal verpflichtet, sich arbeitssuchend zu melden.
8) BAG, Urt. v. 19.02.1997 – 5 AZR 379/94.
9) BAG, Urt. v. 06.12.2017 – 5 AZR 815/16 – juris Rn. 11.