Oftmals ist es schwer, Mandanten zu erläutern, dass ein Anspruch aufgrund einer nicht gewahrten Ausschlussfrist womöglich verfallen ist.

Besonders schwer ist eine solche Rechtsfolge nachzuvollziehen, wenn der Arbeitgeber ein öffentlicher ist und andere Kollegen in der Vergangenheit in den Genuss des Anspruchs gekommen sind.

 

In dem vom LArbG Rheinland-Pfalz kürzlich zu entscheidenden Fall war die Klägerin als Diplom-Ingenieurin bei der beklagten Stadt seit dem 1. Oktober 1999 unter Anwendung des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes beschäftigt. Gemäß § 70 BAT bzw. § 37 Abs. 1 TVöD verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

Die Klägerin erhielt während der gesamten Dauer ihrer Beschäftigung nicht die ihr zustehende Technikerzulage in Höhe von monatlich zunächst 45,00 DM und später 23,01 € brutto. Anderen Arbeitnehmer der Beklagten wurde diese Zulage hingegen gezahlt.

Nachdem sich im Juli 2015 mehrere Arbeitnehmer gegen die Nichtzahlung der Zulage gewährt hatten, zahlte die Beklagte sodann die Technikerzulage rückwirkend ab dem 1. Januar 2015 an alle zulageberechtigten Arbeitnehmer und somit auch die Klägerin. Die Klägerin war jedoch der Ansicht, dass ihr die Zulage rückwirkend ab Beginn ihrer Tätigkeit bei der Beklagten zustehe und verfolgte diesen Anspruch im Klagewege.

Das Arbeitsgericht Mainz hat ihre Klage abgewiesen mit der Begründung, dass eine Durchbrechung der Ausschlussfrist nicht in Betracht komme. Dieser Ansicht schloss sich auch das LArbG Rheinland-Pfalz[1] an. Tragendes Argument war, dass der Anspruch auf Zahlung der Technikerzulage aufgrund der nicht gewahrten tariflichen Ausschlussfrist verfallen und damit erloschen sei. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Klägerin über viele Jahre hinweg unbekannt war, dass sie einen solchen Anspruch überhaupt besaß. Denn die unverschuldete Unkenntnis von einem tariflichen Zulagenanspruch oder einer tariflichen Ausschlussfrist ändere nichts am Rechtsverlust.[2]

 

Nach Ansicht des LArbG verstößt es auch nicht gegen Treu und Glauben, dass sich die Beklagte auf den Verfall der Ansprüche gemäß der Ausschlussfrist berufen hat.

 

Zwar könne sich ein Anspruchsteller auf den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung berufen, wenn sich der Anspruchsgegner auf die Ausschlussfrist beruft,

  • und der Anspruchsgegner die Kenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Tatsachen verhindert hat,
  • oder er ihn von der rechtzeitigen Geltendmachung abgehalten hat, weil er in ihm das Vertrauen geweckt hat, er werde auch ohne Geltendmachung den Anspruch erfüllen,
  • oder weil er es pflichtwidrig unterlassen hat, ihm Umstände mitzuteilen, die ihn zur Einhaltung der Frist veranlasst hätten.[3]

Von diesen Fällen war jedoch im vorliegenden Fall keiner einschlägig. Die Beklagte hat weder die Klägerin davon abgehalten, Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen zu erhalten, noch hat sie diese an der Geltendmachung ihrer Ansprüche gehindert. Ebenso hat die Beklagte nicht den Eindruck erweckt, sie werde auch ohne schriftliche Geltendmachung des Anspruchs zahlen. Vielmehr hätte die Klägerin angesichts des Umstands, dass ihre Abrechnung keine Technikerzulage enthielt, ihren Anspruch prüfen müssen und sodann den nicht erfüllten Anspruch auf die Technikerzulage schriftlich gegenüber der Beklagten geltend machen müssen.

In Arbeitsverhältnissen gilt nämlich der Grundsatz der Privatautonomie, nach dem jede Partei für die Wahrnehmung ihrer Interessen grundsätzlich selbst verantwortlich ist. Dieser Grundsatz gilt nach ständiger Rechtsprechung auch im öffentlichen Dienst.[4]

Dies bedeutet zweierlei:

  1. Die fehlende Kenntnis von der Existenz einer Ausschlussfrist und deren Inhalt hat keinen Einfluss auf den Verfall eines Anspruchs.[5] Unkenntnis hindert somit nicht den Anspruchsverfall.
  2. Der Anspruch verfällt auch dann, wenn der Arbeitnehmer zwar die Umstände kennt, die den Anspruch begründen, nicht jedoch die Rechtslage, und aus diesem Grund den Anspruch nicht geltend macht.[6]

 

Diese Grundsätze sind auch bei der Frage, ob der Arbeitgeber sich auf den Verfall der Ansprüche überhaupt berufen darf, zu berücksichtigen. Nach Ansicht des LArbG Rheinland-Pfalz war demnach der Anspruch der Klägerin aufgrund der Nichtgeltendmachung ihres Anspruchs innerhalb der bestehenden Ausschlussfrist verfallen.

 

Die Beklagte hat vorliegend auch nicht arglistig gehandelt, weil sie der Klägerin die Technikerzulage vorenthalten hat. Es sind keinerlei Ansatzpunkte für eine Arglist der Beklagten ersichtlich noch vorgetragen. Allein aus der Tatsache, dass einige Arbeitnehmer die Zulage erhielten und andere nicht, folgt noch kein arglistiges Verhalten. Selbst ein mögliches Organisationsverschulden bei der Beklagten kann keine solche Arglist begründen. Reine Fahrlässigkeit oder ein von der Beklagten behauptetes Versehen rechtfertigen ebenfalls nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs.[7]

 

Vielmehr war es auch nicht Aufgabe der Beklagten, ohne besonderen Anlass die Richtigkeit der von ihr erteilten Abrechnungen zu überprüfen. Diese Aufgabe oblag vielmehr der Klägerin. Denn wesentlicher Sinn und Zweck einer Abrechnungserteilung ist, dass der Arbeitnehmer in die Lage versetzt wird, die Berechnung seiner Bezüge zu überprüfen.[8]

 

Ein Unterschied zwischen Beschäftigten in der Privatwirtschaft und Beschäftigten im öffentlichen Dienst besteht in dieser Hinsicht nicht. Auch im öffentlichen Dienst Beschäftigte sollten ihre Abrechnungen sorgfältig überprüfen und nicht erfüllte Ansprüche fristgerecht, d. h. unter Wahrung der Ausschlussfristen, schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen.

[1] LArbG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 09.05.2017 – 8 Sa 297/16 – juris.

[2] Vgl. hierzu LArbG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.04.2014 – 2 SA 537/13 – juris.

[3] BAG, Urt. v. 15.12.2016 – 6 AZR 578/15; BAG, Urt. v. 18.02.2016 – 6 AZR 628/14 – Rn. 25, m. w. N. – juris.

[4] Vgl. zuletzt BAG, Urt. v. 15.12.2016 – 6 AZR 578/15 – juris.

[5] BAG, Urt. v. 18.08.2011 – 8 AZR 187/10 – Rn. 46 – juris.

[6] BAG, Urt. v. 18.02.2016 – 6 AZR 628/14 – Rn. 17 – juris.

[7] BAG, Urteil vom 21.1.1993 – 6 AZR 174/92 – juris.

[8] Gesetzesbegründung zu § 108 GewO, vgl. BT-Drucks. 14/8796 Seite 25.

Erschienen im: AnwZert ArbR 18/2017 Anm. 1