Ausschlussfristen haben das BAG in letzter Zeit stark beschäftigt. In meinem letzten Blogbeitrag wurde bereits auf eine neue Entscheidung des BAG2 zur Hemmung von Ausschlussfristen wegen laufender Vergleichsverhandlungen hingewiesen.In der heute vorgestellten Entscheidung des BAG3 geht es um die Geltung von Ausschlussfristen bei Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, im Besonderen aber um den gesetzlichen Mindestlohn.

In dem zu entscheidenden Fall war der Kläger bei einem Bauunternehmen als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt zu einem Stundenlohn von zuletzt 13 Euro brutto unter Geltung des allgemeinverbindlichen BRTV-Bau mit dessen zweistufiger Ausschlussfrist von jeweils zwei Monaten. Nach Erhalt seiner ordentlichen Kündigung vom 17.09.2015 (zum 31.10.2015) meldete sich der Kläger arbeitsunfähig krank und legte dem Arbeitgeber Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Der Arbeitgeber zahlte noch die Vergütung für September 2015, nicht jedoch für Oktober 2015. Mit Schreiben vom 18.01.2016 machte der Kläger erstmals die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Monat Oktober 2015 geltend. Die tarifliche Ausschlussfrist hielt der Kläger insgesamt für unwirksam, weil sie den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehme.

Das Arbeitsgericht hat im Umfang des gesetzlichen Mindestlohns von seinerzeit 8,50 Euro/Stunde der Klage entsprochen und hinsichtlich übersteigenden Anteils die Klage abgewiesen. Das LArbG Frankfurt4 hatte daraufhin die Berufung des Arbeitgebers zurückgewiesen.

Das BAG bejahte ebenfalls einen Entgeltfortzahlungsanspruch des Klägers in Höhe des Mindestlohns für die Zeit seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit aus § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 EFZG.5 Aufgrund der dortigen Regelung habe der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Zeit, die er infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ausfällt, das Entgelt zu zahlen, das er auch ohne den Arbeitsausfall bei Erbringung der Arbeitsleistung erhalten hätte. Daher habe der Arbeitnehmer auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns. Dieser Anspruch folge jedoch nicht unmittelbar aus § 1 MiLoG. Dieser regele nämlich nur die Entrichtung des Mindestlohns für tatsächlich geleistete Arbeit. Jedoch seien Arbeitnehmer im Falle ihrer Arbeitsunfähigkeit so zu stellen, als hätten sie gearbeitet. Daher bleibe ihnen auch der Mindestlohn als untere Grenze des fortzuzahlenden Entgelts erhalten. Auch gebiete es – so das BAG – der Schutzzweck des § 3 Satz 1 MiLoG, den Entgeltfortzahlungsanspruch in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns entsprechend zu sichern. Daraus leitet das BAG her, „dass Vereinbarungen, welche die Geltendmachung des fortzuzahlenden Mindestlohns i.S.d. § 3 Satz 1 MiLoG beschränken, insoweit unwirksam sind“6. Zu solchen Vereinbarungen gehören laut BAG nicht nur arbeitsvertragliche Ausschlussfristen, sondern auch tarifliche. Jedoch unterliegen anders als in allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte arbeitsvertragliche Ausschlussfristen die Tarifregelungen gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB keiner Transparenzkontrolle.

Fußnoten

2) BAG, Urt. v. 20.06.2018 – 5 AZR 262/17
3) BAG, Urt. v. 20.06.2018 – 5 AZR 377/17 – Pressemitteilung des BAG Nr. 33/2018.
4) LArbG Frankfurt, Urt. v. 04.05.2017 – 19 Sa 1172/16 m. Anm. Spätlich, jurisPR-ArbR 43/2017 Anm. 3.
5) BAG, Urt. v. 20.06.2018 – 5 AZR 262/17
6) BAG, Urt. v. 20.06.2018 – 5 AZR 377/17 – Pressemitteilung des BAG Nr. 33/2018.

Erschienen im: AnwZert ArbR 15/2018 Anm. 1