Mit dem Dienstschlüssel ist es so eine Sache. Einerseits ist dessen Besitz für viele Arbeitnehmer unerlässlich, da sie sich damit Zutritt zu den Geschäftsräumen des Arbeitgebers verschaffen können müssen, um ihrer Arbeit nachzugehen. Andererseits birgt der Besitz dieses Schlüssels auch das Risiko, dass der Schlüssel vielleicht einmal verloren geht. Handelt es sich bei diesem Schlüssel auch noch um einen Generalschlüssel, ist dessen Verlust für den Arbeitgeber in der Regel mit hohen Kosten verbunden, da er im Zweifel die komplette Schließanlage auswechseln will bzw. muss. Die Sorge vieler Arbeitnehmer, dass der Arbeitgeber die dadurch entstehenden Kosten von ihm erstattet haben möchte, sind nicht unbegründet, wie ein aktueller Fall des LArbG Rostock1 zeigt.

In diesem Fall war der beklagten Arbeitnehmerin ein ihr überlassener Generalschlüssel gestohlen worden. Den Schlüssel hatte sie nach ihrer Arbeit am Abend in ihrem Pkw, einem VW Caddy, zurückgelassen, den sie abgeschlossen in dem Carport auf ihrem Privatgrundstück abstellte. Obwohl das Grundstück durch eine elektrische Schiebetür gesichert war, ist es Dieben dennoch gelungen, den Pkw mit dem sich darin befindlichen Schlüssel zu stehlen. Die Arbeitgeberin ließ daraufhin ihre Schließanlage (250 Schließanlagezylinder samt entsprechenden Schlüsseln) auswechseln. Von dem hierdurch entstandenen Schaden i.H.v. 9.726,46 Euro übernahm der Versicherer der Arbeitgeberin nur die Kosten bis zu einer Haftungssumme von 3.000 Euro. Die Arbeitgeberin verlangte daher den Differenzbetrag i.H.v. 6.726,64 Euro von der Arbeitnehmerin im Klageweg zurück.

Ihren Anspruch gründete die Arbeitgeberin auf den Umstand, dass sie der Arbeitnehmerin mitgeteilt habe, dass es sich um einen Generalschlüssel handele und dass sie im Falle des Verlusts haftbar sei. Den Schlüssel über Nacht im Pkw zu belassen, stelle einen Sorgfaltsverstoß dar, wobei erschwerend hinzutrete, dass sich auch Bauunterlagen der Arbeitgeberin mit im Kfz befunden hätten, die es Dritten ermöglichen würden, den Generalschlüssel der Arbeitgeberin zuzuordnen. Um Diebstahlschäden vorzubeugen, habe sich die Arbeitgeberin veranlasst gesehen, die Gesamtschließanlage auszutauschen. Die Arbeitnehmerin berief sich darauf, dass sie nicht damit habe rechnen müssen, dass ihr Pkw von ihrem verschlossenen Privatgrundstück gestohlen werde, zumal es in ihrem Heimatort in den letzten 25 Jahren weder zu Kfz-Diebstählen von den Wohnungsgrundstücken noch zu Wohnungseinbruchdiebstählen gekommen sei.

Die Frage, die sich sowohl dem Arbeitsgericht als auch dem Landesarbeitsgericht stellte, war, wie weit die Haftung der Arbeitnehmerin in Fällen wie dem vorliegenden reicht. Das LArbG Rostock ging von einem Schadensereignis im Zusammenhang mit einer betrieblichen Tätigkeit aus. Die Schadensverteilung richte sich nach dem Grad des Verschuldens und gestalte sich wie folgt: In der Regel habe der Arbeitnehmer bei Vorsatz bzw. grober Fahrlässigkeit den Schaden alleine zu tragen. Bei leichter Fahrlässigkeit trage der Arbeitgeber den Schaden in voller Höhe. Bei mittlerer Fahrlässigkeit sei der Schaden unter Berücksichtigung aller Umstände quotal zu verteilen.2

Im vorliegenden Fall ging das LArbG Rostock von einem Fall der leichten Fahrlässigkeit aus und verneinte somit eine Haftung der beklagten Arbeitnehmerin. Grobe Fahrlässigkeit liege nämlich nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in einem ungewöhnlich hohen Grad verletzt und dasjenige unbeachtet gelassen habe, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.3

Ein Hinweis auf eine solche grobe Fahrlässigkeit war im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Alleine die Tatsache, dass es sich um einen „wertvollen Schlüssel“ gehandelt habe, machte das Handeln der Arbeitnehmerin noch nicht grob fahrlässig. Zudem war das Kfz, das nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts weder besonders noch besonders hochpreisig war, durch ein elektrisches Schiebetor gegen Diebstahl gesichert. Die Beklagte musste daher nicht mit einem derartigen Geschehensablauf rechnen, zumal – auch dies führte das Landesarbeitsgericht als ein zugunsten der Arbeitnehmerin sprechendes Argument an – war vorher im Wohnort der Arbeitnehmerin noch nie etwas Vergleichbares vorgefallen.

Auch mittlere Fahrlässigkeit, die zur Teilung des Anspruchs hätte führen können, lag nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht vor. Von mittlerer Fahrlässigkeit sei auszugehen, wenn der Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen habe, der rechtlich missbilligte Erfolg bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt voraussehbar und vermeidbar gewesen wäre.4 Selbst wenn die Arbeitnehmerin vorliegend gewusst hätte, dass es sich bei dem Schlüssel und einen Generalschlüssel handelte, wäre für sie der Diebstahl des Kfz immer noch nicht vorhersehbar gewesen. Aufgrund des Vorliegens einer nur leichten Fahrlässigkeit der Arbeitnehmerin war ein Anspruch der Arbeitgeberin zu verneinen.

Dass Arbeitnehmer einen Dienstschlüssel, möglicherweise auch einen Generalschlüssel, besitzen müssen, kommt immer wieder vor und manchen Arbeitnehmern ist dies angesichts des damit verbundenen Risikos nicht recht, jedoch vielfach unumgänglich. Arbeitgeber sollten sich anhand des Urteils des LArbG Rostock5 vor Augen führen, dass mit dem Verlust des sich im Besitz des Arbeitnehmers befindlichen Generalschlüssels nicht automatisch ein Anspruch gegen den möglicherweise fahrlässig handelnden Arbeitnehmer entsteht. Denn gerade auch bei der Beurteilung der Frage, welcher Grad der Fahrlässigkeit im Schadensfall vorliegt, besteht oftmals Uneinigkeit.

Fußnoten

1) LArbG Rostock, Urt. v. 12.04.2018 – 4 Sa 208/17.
2) Preis in: ErfKomm, 18. Aufl. 2018, § 619a BGB Rn. 13.
3) Preis in: ErfKomm, § 619a Rn. 15 m.w.N.
4) Preis in: ErfKomm, § 619a Rn. 16.
5) LArbG Rostock, Urt. v. 12.04.2018 – 4 Sa 208/17.