Immer wieder kommt es vor, dass Arbeitnehmer aufgrund eines bereits belasteten Arbeitsverhältnisses mit einer Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses rechnen, jedoch einen längeren Auslandsaufenthalt planen. Aufgrund des Umstands, dass eine Kündigung gemäß § 7 KSchG als von Anfang an wirksam gilt, sofern nicht innerhalb von drei Wochen nach deren Zugang Kündigungsschutzklage erhoben wird (§ 4 KSchG), muss Arbeitnehmer dafür Sorge tragen, von der eingehenden Post zeitnah Kenntnis zu erlangen. Zwar ist bei Versäumung dieser Frist gemäß § 5 KSchG die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben. Dennoch sind die Anforderungen an eine nachträgliche Zulassung äußerst streng.

In einem aktuell vom BAG entschiedenen Fall begehrte der Kläger, ein Chefarzt der beklagten Klinik, der seit Ende 2013 als Arzt in Katar einer Beschäftigung nachging, die nachträgliche Zulassung seiner Kündigungsschutzklage.1

Bereits in der Vergangenheit (der Kläger war seit Februar 2010 bei der Beklagten als Chefarzt beschäftigt) übergab die Beklagte dem Kläger alle rechtsverbindlichen Erklärungen, die das Arbeitsbehältnis betrafen, entweder persönlich oder übersandte sie per Einschreiben an seine Wohnungsanschrift. Seit der Kläger einen Prozessbevollmächtigten beauftragt hatte, informierte die Beklagte diesen parallel durch Übersendung einer Kopie. Mit Schreiben vom 10.12.2013 bat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte, alle für den Kläger bestimmte Schreiben ausschließlich an ihn zuzustellen. Zu diesem Zweck legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers seinem Schreiben eine unterschriebene Vollmachtsurkunde bei, die sich auf die Entgegennahme von einseitigen Willenserklärungen bezog. Eine Reaktion der Beklagten erfolgt hierauf nicht.

Die daraufhin von der Beklagten im Dezember 2013 erklärte Kündigung des Arbeitsverhältnisses stellte die Beklagte an die Wohnungsanschrift des Klägers zu und unterrichtete parallel hierzu den Prozessbevollmächtigten des Klägers über die Kündigung. Mit Schreiben vom 31.05.2016 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut zum 30.06.2017. Der Kläger ging immer noch der Beschäftigung in Katar nach und kehrte nur hin und wieder für einige Tage nach Deutschland zurück. Dieses Mal wurde das Kündigungsschreiben am 07.06.2016 um 14:50 Uhr durch einen Botendienst in den Briefkasten des Klägers in seinem Haus in Deutschland eingeworfen. Die Kündigungserklärung befand sich in einem nicht frankierten Umschlag, der äußerlich keinen Hinweis auf Art und Zeit der Zustellung erkennen ließ. Auf der Vorderseite des Briefumschlags war lediglich der Aufdruck „G Klinikverbund B“ angebracht. Er ähnelte den Umschlägen, mit denen die Beklagte dem Kläger regelmäßig allgemeine Informationen übersandte. Den Prozessbevollmächtigten des Klägers informierte die Beklagte über diese Kündigung nicht.

Der Kläger erlangte von dem Kündigungsschreiben der Beklagten erst am 01.07.2016 Kenntnis, als er sich für einige Tage in Deutschland aufhielt. Der Kläger erhob daraufhin Kündigungsschutzklage und beantragte vorsorglich, sie als Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen. Er trägt vor, dass er trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt gehindert gewesen sei, die Klage rechtzeitig zu erheben. Trotz seiner Beschäftigung in Katar sei er teilweise im Abstand von nur wenigen Wochen in Deutschland gewesen. Er vertritt die Auffassung, dass er mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 10.12.2013 ausreichende Vorkehrungen für den Zugang von weiteren Kündigungen getroffen habe. Zudem habe er den Mieter seines Wohnhauses angewiesen, ihm etwa einmal im Monat seine Post nach Katar nachzusenden wobei ihn dieser über Einschreiben und förmliche Zustellungen unverzüglich über WhatsApp informiert und ihm die Schriftstücke sofort nach Katar gesandt habe. Es sei ihm allerdings unzumutbar gewesen, dem Mieter eine umfassende Genehmigung zur Öffnung aller an ihn adressierten Briefe zu geben.

Sowohl das Landesarbeitsgericht2 als auch das BAG sahen die Klage als verspätet an. Eine nachträgliche Klagezulassung kam nach Auffassung des BAG nicht in Betracht. Den Empfänger einer Willenserklärung treffe die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen. Unterlasse er dies, so werde der Zugang durch solche in seiner Person liegenden Gründen nicht ausgeschlossen.3

Der Kläger hatte – so das BAG – trotz seiner Beschäftigung in Katar weiterhin einen Briefkasten zum Empfang von Post an seinem Wohnhaus vorgehalten. Durch den Einwurf des Kündigungsschreibens am 07.06.2016 sei spätestens am darauffolgenden Tag der Zugang i.S.v. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB bewirkt worden. Daran ändere auch nichts, dass sich der Kläger in Katar aufgehalten habe sowie der Umstand, dass dies die Beklagte möglicherweise wusste. Die Parteien hatten nämlich nicht vereinbart, dass die Kündigung abweichend von § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB nur anderweitig hätte wirksam zugehen können. Insbesondere hatten sich die Parteien nicht daraufhin verständigt, dass die Beklagte alle Schreiben an den Kläger nur an seinen Prozessbevollmächtigten zuzustellen habe. Die Bitte des Prozessbevollmächtigten des Klägers an die Beklagte vom 10.12.2013, alle für den Kläger bestimmten Schreiben ausschließlich an ihn zuzustellen, wurde von der Beklagten nicht beantwortet. Die Beklagte ist dieser Bitte auch nicht nachgekommen. Es bestand aufgrund des Schreibens vom 10.12.2013 auch keine rechtliche Verpflichtung der Beklagten, für den Kläger bestimmte Schreiben nur noch an dessen Prozessbevollmächtigten zuzustellen.

Nach Ansicht des BAG hatte der Kläger somit keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen, um eine zeitnahe Kenntnisnahme der Schriftstücke in seinem Briefkasten sicherzustellen. Da der Kläger trotz seiner mehrmonatigen Abwesenheit immer noch einen Briefkasten an seiner Adresse in Deutschland vorhielt, hätte er einen entsprechenden Aufwand betreiben müssen, um von bestimmten Schriftstücken zeitnah Kenntnis zu erlangen. Ist nämlich die Abwesenheit von der „ständigen“ Wohnung die Regel, muss der Adressat nach Ansicht des BVerfG besondere Vorkehrungen treffen, damit er normalerweise rechtzeitig Kenntnis von Zustellungen erlangt.4

Das BAG verlangt für Fälle wie den vorliegenden, dass der Kläger eine Person seines Vertrauens damit hätte beauftragen müssen, die für ihn bestimmte Post regelmäßig zu öffnen und ihn oder einen mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragten Dritten zeitnah über ihren Inhalt zu informieren. Mit der Anweisung an seinen Mieter ist der Kläger diesen Anforderungen nicht nachgekommen. Eine nur einmal im Monat erfolgende Übersendung der gesammelten Post reiche hierzu nicht aus. Auch die Übersendung von Einschreiben und förmlichen Zustellungen mittels WhatsApp stelle keine ausreichende Vorkehrung dar. Diese Vorkehrungen wären dem Kläger auch zumutbar gewesen, da die berufsbedingte Auslandsabwesenheit des Klägers die Regel war.

Der Kläger durfte daher nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte – so wie bereits in der Vergangenheit – eine Kündigung zumindest auch an seinen Prozessbevollmächtigten übersenden werde. Diesbezüglich war keine verbindliche Vereinbarung getroffen und es war zudem nicht anzunehmen, dass die Beklagte auch noch nach längerem Zeitablauf so verfahren werde. Aufgrund der fehlenden Vereinbarung mit der Beklagten musste der Kläger damit rechnen, dass diese auch anders verfahren könnte. Von einer Verpflichtung der Beklagten, den Kläger oder dessen Prozessbevollmächtigten zeitnah über die Zustellung der Kündigung an die Wohnanschrift zu informieren, ging das BAG nicht aus.

Arbeitnehmer oder Arbeitnehmervertreter, die mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung über den Zugang rechtserheblicher Willenserklärungen treffen möchten, sollten hinsichtlich der Reaktion des Arbeitgebers auf ein solches Ansinnen Sorgfalt walten lassen. Grundsätzlich können die Parteien zwar vereinbaren, dass eine Kündigung abweichend von § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB nur anderweitig wirksam zugehen kann. § 130 Abs. 1 BGB ist nämlich dispositiv.5Jedoch ist in diesem Fall dafür zu sorgen, dass diesbezüglich auch tatsächlich eine wirksame Vereinbarung getroffen wurde. Allein die Bitte an die Gegenseite, Zustellungen zukünftig in einer bestimmten Weise zu bewirken, stellt keine die Gegenseite verpflichtende Einigung dar. Reagiert die Gegenseite auf ein solches Schreiben nicht oder stimmt sie nicht ausdrücklich zu, ist im Zweifel vom Fehlen einer solchen Vereinbarung auszugehen. Für diesen Fall sollte der Arbeitnehmer mit höchster Sorgfalt alle notwendigen Vorkehrungen treffen, um während seiner Abwesenheit die rechtzeitige Kenntnisnahme von Zustellungen sicherzustellen.

Fußnoten

1) BAG, Urt. v. 25.04.2018 – 2 AZR 493/17.
2) LArbG Bremen, Urt. v. 03.08.2017 – 2 Sa 26/17.
3) St. Rechtsprechung, zuletzt BAG, Urt. v. 26.03.2015 – 2 AZR 483/14 Rn. 37.
4) BVerfG, Beschl. v. 11.02.1976 – 2 BvR 849/75.
5) Ellenberger in: Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 130 Rn. 19.