Dienstpläne beschäftigen die Arbeitsgerichte schon seit jeher, denn zahlreiche Branchen, insbesondere die Mitarbeiter in Kliniken, Rettungsdiensten und im Service, arbeiten auf der Basis von Dienstplänen. Dies bedeutet, dass sie entsprechend dem – idealerweise frühzeitig – festgelegten Dienstplan ihre arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen und danach Freizeit haben, dann wieder – ebenfalls entsprechend den Vorgaben des Dienstplans – ihre Arbeit aufnehmen und immer so fort.

Sinn eines Dienstplans ist, dass alle betroffenen Arbeitnehmer auf diese Weise zuverlässig ihre Arbeitszeit und ihre Freizeit planen können, und so in ihrer freien Zeit die nötige Erholung erhalten und dringende persönliche oder familiäre Angelegenheiten regeln können. Dieses System funktioniert jedoch nur, sofern es nicht zu kurzfristigen Änderungen des Dienstplans kommt, beispielsweise, weil unerwartet Arbeitnehmer ausfallen, der Dienstplan jedoch Ausfälle nicht ausreichend berücksichtigt bzw. abfängt. Allerdings ist ein reibungsloser Dienstplan – dies sei Arbeitgebern zugegeben – in der heutigen Zeit und angesichts der Personalknappheit in bestimmten Branchen ein gutes Stück Arbeit und vermutlich nicht immer realisierbar. Dennoch haben sich – das ist gerade im Pflegebereich und bei den Rettungsdiensten vermehrt festzustellen – in gewissen Branchen schon seit Jahren Mechanismen eingeschlichen, die eine Regeneration der Arbeitnehmer in ihrer Freizeit erschweren oder gar unmöglich machen. Die Rede ist von Anrufen oder Anfragen bei Mitarbeitern während ihrer Freizeit, entweder kurzfristig einzuspringen bzw. aufgrund des geänderten Dienstplans die Freizeit abzukürzen und früher zur Arbeit zu erscheinen. Der geänderte Dienstplan ist oftmals im Internet einsehbar. Nicht selten wird auch versucht, die betroffenen Arbeitnehmer persönlich zu erreichen, um sie über ihre geänderten Dienstzeiten zu informieren und gleichzeitig auch zur früheren Arbeitsaufnahme aufzufordern. Dies geschieht in der Regel per Telefon (Festnetz oder mobil), gerne aber auch per SMS, per WhatsApp oder per E-Mail, sofern telefonisch niemand erreichbar ist.

Das LArbG Kiel1 hat aktuell anlässlich eines Streits um den Stand des Arbeitszeitkontos eines Notfallsanitäters und der Entfernung einer Abmahnung entschieden, dass der Arbeitgeber mit der Änderung des Dienstplans eines Mitarbeiters diesem gegenüber zwar sein Direktionsrecht ausübe. Da es sich bei der Ausübung des Direktionsrechts jedoch um eine empfangsbedürftige Gestaltungserklärung handle, müsse die Änderung dem Mitarbeiter auch zugehen. Der Mitarbeiter sei hingegen nicht verpflichtet, sich in seiner Freizeit zu erkundigen, ob sein Dienstplan geändert worden sei. Er sei auch nicht verpflichtet – so das LArbG Kiel – eine Mitteilung des Arbeitgebers, beispielsweise per Telefon – entgegenzunehmen oder eine SMS zu lesen. Nimmt er eine solche Dienstplanänderung nicht zur Kenntnis, geht ihm diese erst bei Dienstbeginn zu. In dem vom LArbG Kiel zu entscheidenden Fall war aufgrund einer relativ komplexen Betriebsvereinbarung Dienstbeginn des betroffenen Notfallsanitäters am fraglichen Tag um 7:30 Uhr. Vorher befand sich der Arbeitnehmer in seiner Freizeit. Während dieser Zeit hatte er weder den Telefonanruf des Arbeitszeitgestalters des Arbeitgebers zum geänderten Dienstplan entgegengenommen, noch hat er die ihm diesbezüglich übersandte SMS zur Kenntnis genommen. Das Gericht stellte darüber hinaus fest, dass der Arbeitgeber mit der Kenntnisnahme des Inhalts der SMS auch nicht vor Dienstbeginn, also 7:30 Uhr des folgenden Tages, rechnen durfte. Der Arbeitnehmer sei nämlich nicht verpflichtet gewesen, während seiner Freizeit eine dienstliche SMS abzurufen. Denn das Lesen der SMS stelle Arbeitszeit dar, da der Arbeitnehmer mit dem Lesen eine Arbeitsleistung erbringe. Der Arbeitnehmer habe vielmehr das Recht, während seiner Freizeit unerreichbar zu sein. Freizeit zeichne sich nach Ansicht des LArbG Kiel vielmehr gerade dadurch aus, „dass Arbeitnehmer/innen in diesem Zeitraum den Arbeitgeber/innen nicht zur Verfügung stehen müssen und selbstbestimmt entscheiden können, wie und wo sie diese Freizeit verbringen“. Es gehöre vielmehr zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er zu dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht.2

Dem Einwand des Arbeitgebers, bei einem Blick in das Dienstplanprogramm handle es sich um keine Arbeit und der Mitarbeiter müsse auch wegen seiner Loyalitätspflicht sein Telefon benutzen, um sich über die Arbeitszeit zu informieren, hält das LArbG Kiel entgegen, dass Arbeit nicht deswegen zu Freizeit wird, weil sie nur in zeitlich ganz geringfügigem Umfang anfalle. Zudem haben Arbeitnehmer das Recht auf Nichterreichbarkeit bereits aus Gründen des Gesundheits- und des Persönlichkeitsschutzes. Da der Arbeitnehmer daher die SMS erst mit Beginn seines Dienstes morgens um 7:30 Uhr zur Kenntnis genommen hat, war die Weisung des Arbeitgebers an den Kläger, seinen Dienst bereits um 6:00 Uhr anzutreten, überholt. Eine andere Arbeit hat der Arbeitgeber dem Notfallsanitäter für diesen Tag jedoch nicht zugewiesen. Der Arbeitgeber befand sich daher mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers auch nach 7:30 Uhr in Verzug und musste daher dessen Arbeitszeitkonto für jenen Tag elf Stunden gutschreiben. Auch eine entsprechende Abmahnung war aus der Personalakte des Arbeitnehmers zu entfernen, da sie eine unzutreffende rechtliche Bewertung des Verhaltens enthielt.

In Ergänzung dieses Urteils möchte ich Ihnen eine Entscheidung des LArbG Erfurt3 aus dem Jahr 2018 nicht vorenthalten. Das LArbG Erfurt hat nämlich entschieden, dass ein Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, seinem Arbeitgeber seine Mobilfunknummer mitzuteilen. Der Arbeitgeber wollte die Mobilfunknummern erfassen, um sich die Kosten einer Rufbereitschaft zu ersparen. Ein solch schwerer Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers sei nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn der Arbeitgeber ohne Kenntnis der Mobiltelefonnummer im Einzelfall eine legitime Aufgabe, für die der Arbeitnehmer eingestellt ist, nicht, nicht vollständig oder nicht in rechtmäßiger Weise erfüllen kann und ihm eine andere Organisation der Aufgabenerfüllung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Wähle der Arbeitgeber hingegen eine risikobehaftete Arbeitsorganisation, so rechtfertige dies nicht „den in der Herausgabe der Mobiltelefonnummer liegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten, denn grundsätzlich entscheidet jede*r Arbeitnehmer*in selbst, für wen, wann und wo er/sie durch Bekanntgabe der Mobiltelefonnummer erreichbar sein will“.

Fußnoten

  1. LArbG Kiel, Urt. v. 27.09.2022 – 1 Sa 39 öD/22.
  2. LArbG Kiel, Urt. v. 27.09.2022 – 1 Sa 39 öD/22, mit Verweis auf LArbG Erfurt, Urt. v. 16.05.2018 – 6 Sa 442/17 Rn. 43.
  3. LArbG Erfurt, Urt. v. 16.05.2018 – 6 Sa 442/17.

AnwZert ArbR 24/2022 Anm. 1