Arbeitgeber, die verhindern wollen, dass ausgeschiedene Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Konkurrenz zu ihnen treten, sollten ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbaren. Dieses ist jedoch nur dann verbindlich, wenn sich der Arbeitgeber – neben zahlreichen weiteren formellen und inhaltlichen Vorgaben – verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht, § 74 Abs. 2 HGB. Wer sich berufsbedingt mit Arbeitsrecht befasst, hat vermutlich schon viele nachvertragliche Wettbewerbsklauseln gesehen, die nicht das Papier wert waren, auf dem sie standen. Aber auch dann, wenn ein nachvertragliches Verbot nicht oder nicht wirksam vereinbart wird, herrscht sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite oftmals Unsicherheit, inwieweit der ausscheidende Arbeitnehmer seinem ehemaligen Arbeitgeber Konkurrenz machen darf.
Meist noch bekannt ist die Regelung, dass ein Arbeitnehmer im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses kein Gewerbe in der Branche des Arbeitgebers betreiben oder in sonstiger Weise zum Arbeitgeber in Konkurrenz treten darf (§ 60 Abs. 1 HGB). Aber was gilt danach? Darf der Arbeitnehmer beispielsweise noch vertraglich gebundene Kollegen seines alten Arbeitgebers abwerben? Und sind Vorbereitungshandlungen für eine spätere Konkurrenztätigkeit noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses zulässig?
Das BAG hat hierzu bereits Ende der Siebzigerjahre gesagt: „Schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses darf ein kaufmännischer Angestellter, der sich selbstständig machen will, sein künftiges Handelsgewerbe vorbereiten. Verboten ist dagegen eine Tätigkeit, die geeignet ist, die Geschäftsinteressen seines Arbeitgebers zu gefährden. Maßgebend für die Abgrenzung sind die Umstände des Einzelfalles“.1
Gehen die „Vorbereitungshandlungen“ jedoch schon so weit, dass Arbeitnehmer des eigenen Arbeitgebers abgeworben werden, so ist dies unzulässig, so das BAG2 aus dem Jahr 2018. Denn dadurch würden die Geschäftsinteressen des Arbeitgebers unmittelbar gefährdet. Allerdings – so räumt das BAG ein – kann die Abgrenzung zwischen verbotenem Abwerben und erlaubten Gesprächen unter Kollegen über einen beabsichtigten Stellenwechsel im Einzelfall schwierig sein.3 Nach Ansicht des BAG setzt eine unzulässige Abwerbung jedenfalls voraus, dass ein Arbeitnehmer ernsthaft und beharrlich auf Kollegen einwirkt, um sie zu veranlassen, für den Abwerbenden oder einen anderen Arbeitgeber tätig zu werden.4
Das ArbG Gera5 hatte sich in einer Entscheidung von Anfang 2022 mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis Arbeitnehmer des „alten“ Arbeitgebers abwerben darf. Das Arbeitsgericht hält ein solches Vorgehen für zulässig, soweit der Arbeitnehmer nicht gegen das Geschäftsgeheimnisgesetz verstößt. Es handelte sich in dem vom ArbG Gera zu entscheidenden Fall um einen von einer Personaldienstleisterin im Eilverfahren geltend gemachten Unterlassungsanspruch gegenüber einem ehemaligen Arbeitnehmer, der zu Leiharbeitnehmern, die bei der Antragstellerin beschäftigt waren, Kontakt aufgenommen hatte bzw. von diesen kontaktiert wurde (das war streitig), um sie für ein neues Unternehmen abzuwerben. Insgesamt hatten 27 Leiharbeitnehmer aus zwei Filialen der Antragstellerin gekündigt. Das Arbeitsgericht stellte fest, dass gesammelte Daten über Adressen und Telefonnummern der verwalteten Leiharbeitnehmer, ebenso wie gesammelte Daten über Adressen und Telefonnummern der Entleiher, nicht allgemein zugänglich seien und damit geschütztes Geschäftsgeheimnis des Personaldienstleisters sind. Unabhängig von der möglichen Rechtswirksamkeit der Geheimhaltungsklausel im Arbeitsvertrag des ausgeschiedenen Arbeitnehmers greife daher zumindest der Schutz des Geschäftsgeheimnisgesetzes zugunsten der Antragstellerin.
Fraglich war jedoch, ob der Antragsgegner unter Ausnutzung des Geschäftsgeheimnisses der Antragstellerin die Leiharbeitnehmer kontaktiert hatte. Die Kommunikation per WhatsApp rührte nämlich in einem Fall daher, dass zuvor private WhatsApp-Kontakte bestanden, die sodann auf dem Handy schon gespeichert waren. Zudem war streitig, ob der Kontakt, durch welchen der Antragsgegner einer Leiharbeitnehmerin ein Angebot mit einer Wechselprämie i.H.v. 500 Euro unterbreitet hatte, überhaupt vom Antragsgegner ausging. Entscheidend ist also stets, ob der Kontakt unter Ausnutzung allein im Arbeitsverhältnis erlangter Kontaktdaten, deren Weitergabe nicht zugestimmt worden ist, hergestellt wurde. In diesem Fall läge ein Verstoß gegen § 6 Abs. 1 Geschäftsgeheimnisgesetz vor. Dieser war jedoch vorliegend von der Antragstellerin nicht nachweisbar.
Somit ist es nach Ansicht des ArbG Gera einem ausgeschiedenen Arbeitnehmer ohne ein wirksam vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot und ohne einen Verstoß gegen das Geschäftsgeheimnisgesetz gestattet, Arbeitnehmer des ehemaligen Arbeitgebers abzuwerben. „Ausgeschieden“ bezieht sich hierbei auf Zeiten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Während einer Freistellung haben sich Arbeitnehmer hingegen jeglichen Wettbewerbs zu enthalten.
Jedoch auch dann, wenn der Arbeitnehmer den Leiharbeitnehmern noch während seines Arbeitsverhältnisses mitgeteilt haben sollte, dass er sein Arbeitsverhältnis gekündigt habe und im neuen Jahr bei der Konkurrenz tätig sein wolle mit dem Hinweis, dass er nicht wisse, wie es mit der Filiale weitergehe, stellen diese Äußerungen für sich keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar – so jedenfalls das ArbG Gera. Berufung ist eingelegt beim LArbG Erfurt.6
- BAG, Urt. v. 30.05.1978 – 2 AZR 598/76. ↩︎
- BAG, Urt. v. 19.12.2018 – 10 AZR 233/18 – BAGE 165, 19-35 Rn. 56. ↩︎
- BAG, Urt. v. 19.12.2018 – 10 AZR 233/18 – BAGE 165, 19-35 Rn. 56 mit Verweis auf BAG, Urt. v. 26.06.2008 – 2 AZR 190/07 Rn. 16. ↩︎
- BAG, Urt. v. 19.12.2018 – 10 AZR 233/18 – BAGE 165, 19-35 Rn. 56 mit Verweis auf BAG, Urt. v. 26.06.2008 – 2 AZR 190/07 Rn. 16. ↩︎
- ArbG Gera, Urt. v. 08.03.2022 – 3 Ga 2/22. ↩︎
- Berufung wurde eingelegt unter dem Aktenzeichen 1 SaGa 2/22. ↩︎