Viele Arbeitgeber wissen nicht, dass sie der Gefahr weiterer Entgeltfortzahlungskosten ausgesetzt sind, wenn sie einem Arbeitnehmer in engem zeitlichen Zusammenhang mit dessen Arbeitsunfähigkeit kündigen. Gemeint sind hier die Fälle der Anlasskündigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG.

Von einer Anlasskündigung wird ausgegangen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aus Anlass einer Krankheit kündigt. Zwar endet die Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung grundsätzlich mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG gilt dies jedoch dann nicht, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis „aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit“ kündigt. Hierbei muss die Arbeitsunfähigkeit nicht der alleinige Grund für die Kündigung sein, sie muss nur Anlass zum Ausspruch der Kündigung gewesen sein. Es genügt, wenn die Kündigung ihre objektive Ursache und wesentliche Bedingung in der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers hat und den entscheidenden Anstoß für den Kündigungsentschluss gegeben hat. Die Arbeitsunfähigkeit muss daher den Kündigungsentschluss als solchen wesentlich beeinflusst haben 1

Oftmals sehen sich Arbeitgeber in einem solchen Fall mit Ansprüchen der Krankenkasse konfrontiert, die gegen den Arbeitgeber aus übergegangenem Recht gemäß § 115 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG außergerichtlich oder im Klagewege ihren Anspruch auf Erstattung des an den Arbeitnehmer gezahlten Krankengeldes geltend machen. Die Krankenkassen berufen sich in diesen Fällen auf den von ihnen angenommenen Umstand, dass die Kündigung aufgrund der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers erfolgt sei. § 115 Abs. 1 SGB X regelt, dass, soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen übergeht.

Obwohl für das Vorliegen einer Anlasskündigung der Arbeitnehmer bzw. im Falle des Forderungsübergangs die klagende Krankenkasse darlegungs- und beweispflichtig ist, kommt diesen in der Regel der Anscheinsbeweis zugute, wenn die Kündigung in zeitlich engem Zusammenhang zur angezeigten Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen wurde. Das LArbG Mainz vermutet eine Anlasskündigung dann, wenn sie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem zeitlichen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.2

In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber den Anscheinsbeweis erschüttern, indem er vorträgt, dass nicht die Arbeitsunfähigkeit, sondern andere Gründe zum Ausspruch der Kündigung geführt haben. Hat die Arbeitsunfähigkeit jedoch den Kündigungsentschluss als solchen wesentlich beeinflusst, wird es für den Arbeitgeber schwierig. Nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers gerade nicht Anlass für die Kündigung war, kann der Arbeitgeber diesen Anscheinsbeweis erschüttern.

Fußnoten

1) LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 01.03.2018 – 10 Sa 1507/17 m.V. auf BAG, Urt. v. 17.04.2002 – 5 AZR 2/01.
2) LArbG Mainz, Urt. v. 16.03.2006 – 6 Sa 801/05; ebenso LArbG Kiel, Urt. v. 06.02.2014 – 5 Sa 324/13.

Erschienen im: AnwZert ArbR 8/2018 Anm. 1