„Was soll ich jetzt tun?“ – Diese Frage stellt sich nicht nur Arbeitnehmern, die im Verlauf ihres Arbeitslebens berufliche Entscheidungen treffen müssen. Diese Frage stellt sich bisweilen auch Arbeitgebern, die die Entdeckung machen, dass ein Arbeitnehmer eine schwere arbeitsvertragliche Pflichtverletzung begangen hat.

Der Arbeitgeber weiß bereits, dass er diesen Arbeitnehmer am liebsten schnellstmöglich loswerden möchte. Allerdings soll dies so unspektakulär und so kostengünstig wie nur möglich ablaufen, also bestenfalls ohne einen aufwändigen und arbeitsintensiven Kündigungsschutzprozess und ohne, dass das Fehlverhalten des Arbeitnehmers und die damit einhergehenden personellen Maßnahmen Unruhe in der Belegschaft schaffen. Der erfahrene Arbeitgeber ruft daher seinen arbeitsrechtlich versierten Rechtsbeistand an und gemeinsam verfahren sie wie folgt: Der Arbeitgeber bittet den Arbeitnehmer in sein Büro, ohne ihn über den Gegenstand des Gesprächs zu informieren. In Anwesenheit eines Rechtsanwalts für Arbeitsrecht konfrontiert der Geschäftsführer sodann den Arbeitnehmer mit dem Vorwurf des unberechtigten Reduzierens von Einkaufspreisen in der EDV, um so einen höheren Verkaufsgewinn vorzutäuschen. Am Ende des Gesprächs legen der Rechtsanwalt und der Geschäftsführer dem Arbeitnehmer einen vorbereiteten Aufhebungsvertrag zur Unterschrift vor (einvernehmliches Ausscheiden des Arbeitnehmers aus betrieblichen Gründen innerhalb weniger Tage zum Ende des Kalendermonats, wechselseitige finanzielle Abgeltungsklausel, Fortzahlung der Vergütung sowie ein qualifiziertes Arbeitszeugnis). Der Arbeitnehmer wird später behaupten, man habe ihm für den Fall der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrags mit einer außerordentlichen Kündigung und der Erstattung einer Strafanzeige gedroht. Längere Bedenkzeit sei ihm nicht gewährt worden. Der Rechtsanwalt habe ihm sogar gesagt, dass dann, wenn er durch diese Tür gehe, auch wenn er nur die Toilette aufsuchen wolle, der Abschluss des Aufhebungsvertrags nicht mehr in Betracht komme. Nach einer zehnminütigen Bedenkzeit im Raum hat der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag dann unterzeichnen. Wenige Tage später ficht er den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung an, woraufhin der Arbeitgeber – wiederum wenige Tage später – das Arbeitsverhältnis vorsorglich außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich kündigt.

Dies ist alles so geschehen in einem vom BAG erst kürzlich entschiedenen Fall.1 Das BAG prüfte, ob der Arbeitnehmer seine Willenserklärung, gerichtet auf den Abschluss des Aufhebungsvertrags, wegen widerrechtlicher Drohung wirksam angefochten hatte, und ob im Verhalten des Arbeitgebers ein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns gemäß den §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. den §§ 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB darstellte. Das BAG verneinte sowohl ein Anfechtungsrecht des Klägers als auch einen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns. Hierbei ging es sogar zugunsten des Klägers davon aus, dass die von ihm behaupteten Drohungen des Arbeitgebers und seines Rechtsanwalts mit einer außerordentlichen Kündigung und einer Strafanzeige tatsächlich so ausgesprochen wurden.

Der Arbeitgeber habe nämlich davon ausgehen können, dass der Kläger Vertragspflichten in schwerwiegender Weise verletzt hatte, weshalb er nicht zunächst eine Abmahnung hätte aussprechen müssen, sondern mit einer außerordentlichen Kündigung habe drohen dürfen.

Auch das Gebot des fairen Verhandelns war angesichts der Gesamtumstände und der konkreten Verhandlungssituation nicht verletzt. Denn der Kläger hätte jederzeit ohne Beeinträchtigung seiner Willensfreiheit das Gespräch beenden und den Raum verlassen können. Die damit verbundene Folge, dass der Aufhebungsvertrag vom Tisch gewesen wäre, ist eine gesetzliche Folge des § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Arbeitgeber durfte dem Kläger daher ein Angebot zur sofortigen Annahme unterbreiten. Der dadurch aufgebaute Druck sei nicht unfair, sondern halte sich im Rahmen des nach § 241 Abs. 2 BGB, so das BAG.2 Etwas anderes ergebe sich auch nicht dann, wenn der Rechtsanwalt das Aufhebungsvertragsangebot auch für den Fall nicht länger aufrechterhalten hätte, wenn der Kläger den Raum verlassen hätte, um die Toilette aufzusuchen. Der Aufhebungsvertrag blieb daher weiter bestehen.

Auch die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung bzw. der Erstattung einer Strafanzeige verstieß nicht gegen das Fairnessgebot des § 311 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB. Die Drohung war nämlich nicht widerrechtlich, weshalb sie von der Rechtsordnung im Rahmen des § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB als zulässig erachtet wird.

Das BAG hat es sich in der Entscheidung jedoch nicht nehmen lassen, solche unangenehmen Rahmenbedingungen beispielhaft zu schildern, die das Gebot des fairen Verhandelns verletzen:

Stundenlanges kreuzverhörähnliches, von Außenkontakten isoliertes Festhalten des Arbeitnehmers, bis er den Aufhebungsvertrag unterzeichnet.3

• Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse.

Kein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns liegt nach Ansicht des BAG vor in folgenden Fällen:

• Kritik des Arbeitgebers am Verhalten des Arbeitnehmers und eine daraufhin eingetretene Betroffenheit des Arbeitnehmers ohne das Hinzutreten weiterer Umstände.4

• Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag während einer längeren Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers.5 Hierbei ist der Arbeitgeber beim Fehlen objektive Anhaltspunkte von sich aus nicht verpflichtet, Vorkehrungen im Hinblick auf die freie Entscheidungsfähigkeit des Arbeitnehmers zu treffen, beispielsweise durch die Nachfrage nach etwaiger Medikamenteneinnahme.

• Fehlen eines Rücktritts- oder Widerrufsrechts im Auflösungsvertrag.6

• Unterbreiten eines Aufhebungsvertrags ohne vorherige Ankündigung.7

Fußnoten

1) BAG, Urt. v. 24.02.2022 – 6 AZR 333/21.
2) BAG, Urt. v. 24.02.2022 – 6 AZR 333/21 Rn. 31.
3) Konstellation des vom LArbG Thüringen entschiedenen Fall, Urteil vom 10.09.1998 – 5 Sa 104/97.
4) A.A. LArbG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 19.05.2020 – 5 Sa 173/19 Rn. 34.
5) Hessisches LArbG, Urt. v. 11.06.2021 – 10 Sa 1221/20.
6) BAG, Urt. v. 14.02.1996 – 2 AZR 234/95.
7) BAG, Urt. v. 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 Rn. 34.

(AnwZert ArbR 2022)