Nach § 288 Abs. 5 BGB hat der Gläubiger einer Entgeltforderung „bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, (…) einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.“
Diese Vorschrift ist seit dem 29.07.2014 in Kraft. Seither wird darüber gestritten, ob § 288 Abs. 5 BGB auch im Arbeitsrecht Anwendung findet.
Für eine Einbeziehung arbeitsrechtlicher Forderungen spricht sich beispielsweise Richter1 aus. Auch nach Ansicht von Tiedemann2 ist ein solcher Anspruch gegen den Arbeitgeber nicht ausgeschlossen. Das ArbG Düsseldorf3 sieht in den Vertretern, die § 288 Abs. 5 BGB auch auf Arbeitserträge anwenden wollen, zwar die überwiegende Ansicht4. In seiner im Mai 2016 ergangenen Entscheidung zu dieser Frage schließt es sich jedoch der (Minder-)Meinung von Diller5 an und folgert aus § 12a ArbGG in analoger Anwendung, dass die Durchsetzung eines Anspruchs nach § 288 Abs. 5 BGB im arbeitsgerichtlichen Verfahren erster Instanz ausgeschlossen ist. Es liege nämlich eine unbeabsichtigte, planwidrige Gesetzeslücke vor; diese sei zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen dahingehend zu schließen, dass eine Erstattung der Verzugspauschale im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht verlangt werden könne. Denn Parteien, die lediglich das erstinstanzliche Verfahren betreiben, würden hinsichtlich der Verzugspauschale allein aus verfahrensrechtlichen Gründen anders gestellt als Parteien, die ein zweitinstanzliches Verfahren betreiben müssen. Es erscheint dem ArbG Düsseldorf widersprüchlich, „gleichsam gegenläufig einen Anspruch nunmehr in erster Instanz zuzuerkennen, der in zweiter Instanz aufgrund der Anrechnungsregeln in § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB wieder aberkannt werden muss.“ Ohnehin hätte das ArbG Düsseldorf im vorliegenden Fall mangels Verschulden einen Anspruch des Klägers verneint. Denn im Einzelfall kann es an einem Verschulden des Arbeitgebers für verspätete Zahlungen fehlen, wenn der Arbeitgeber für Monate, in denen eine Änderung im Arbeitsverhältnis eingetreten ist, den wesentlichen Teil der Vergütung fristgemäß und den verbleibenden Teil spätestens mit dem nächsten monatlichen Abrechnungslauf zahlt, wenn er eine ausreichende Organisation geschaffen hat, die im Regelfall die vollständige fristgemäße Zahlung sicherstellt.
Will man jedoch entgegen der Ansicht des ArbG Düsseldorf § 288 Abs. 5 BGB auch im erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Verfahren zur Anwendung bringen, sollte zunächst überprüft werden, ob nicht Art. 229 § 34 EGBGB dieser Anwendung entgegensteht. Denn nach Art. 229 § 34 Satz 1 EGBGB, der Überleitungsvorschrift zum Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, sind die §§ 271a, 286, 288, 308 und 310 BGB in der seit dem 29.07.2014 geltenden Fassung nur auf ein Schuldverhältnis anzuwenden, das nach dem 28.07.2014 entstanden ist. Abweichend hiervon sind die dort genannten Vorschriften auch auf ein vorher entstandenes Dauerschuldverhältnis anzuwenden, soweit die Gegenleistung nach dem 30.06.2016 erbracht wird.
Soweit ersichtlich, hat das ArbG Düsseldorf als eines der ersten zur Anwendbarkeit von § 288 Abs. 5 BGB bei einem Gegenstandswert von 80 Euro Stellung nehmen müssen, und hat dies auch in aller Ausführlichkeit getan.
Wie die überwiegende Meinung in der Rechtsprechung zu diesem Problemkreis ausfallen wird, bleibt somit offen. Grüneberg im Palandt6 schreibt jedenfalls lapidar: „Im ArbR wird V durch 12a ArbGG verdrängt“, verweist zur Begründung auf Diller7 und versieht dies mit dem vielsagenden Kürzel „str“. Alles ist damit nach wie vor offen.
Auch wenn ich keinem Kollegen einen Prozess wegen 40 Euro wünsche, ebenso keinem Gericht eine Entscheidung über 40 Euro zumuten möchte, so hat sich die Pauschale nach § 288 Abs. 5 BGB mittlerweile herumgesprochen. Zudem treibt es uns Juristen um: Offene Rechtsfragen müssen geklärt werden – oder wie Adelbert von Chamisso einst so schön formulierte: „Du bist im Recht; nun sieh zu, wie du da wieder heraus kommst.“
Erschienen im: AnwZert ArbR 15/2016 Anm. 1