Manchmal ist er unumgänglich – der Widerrufsvergleich. Ist der Mandant nicht anwesend oder gibt es Gründe, die dem sofortigen Abschluss eines Vergleichs entgegenstehen, besteht die Möglichkeit, den Vergleich mit dem geplanten Inhalt zu schließen, sich jedoch den Widerruf des Vergleichs bis zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. innerhalb einer bestimmten Frist vorzubehalten. In der Regel wird der Widerrufsvorbehalt so oder so ähnlich in den Vergleich aufgenommen: „Den Parteien/dem Kläger/der Beklagten bleibt vorbehalten, den Vergleich durch einen bei Gericht einzureichenden Schriftsatz bis zum Datum X zu widerrufen.“ Wird der Widerruf wirksam erklärt, beseitigt er den Vergleich und führt dazu, dass das ruhende Verfahren fortzusetzen ist.1

Stellt sich jedoch für die widerrufsberechtigte Partei heraus, dass die Frist zu kurz bemessen ist und eine Entscheidung darüber, den Vergleich anzunehmen oder abzulehnen, innerhalb der Frist nicht möglich ist, wendet sie sich bisweilen an ihren Prozessbevollmächtigten und bittet ihn, die Frist zum Widerruf des Vergleichs verlängern zu lassen. Ist dies jedoch so einfach möglich? Und wenn ja, wer ist der richtige Ansprechpartner zur Verlängerung der Widerrufsfrist? Das Gericht? Die gegnerische Partei?

In einem vom OLG Hamm2 zu entscheidenden Fall hatte sich ein Prozessbevollmächtigter kurz vor Ende der Widerrufsfrist schriftsätzlich an das Prozessgericht gewandt und den Antrag gestellt, die Widerrufsfrist zu verlängern, weil eine Klärung mit dem hinter der Beklagten stehenden Haftpflichtversicherer noch nicht habe stattfinden können. Weiterhin schrieb der Prozessbevollmächtigte: „Für den Fall, dass die Widerrufsfrist nicht antragsgemäß verlängert wird, widerrufen wir den am 26. Oktober 2011 geschlossenen Vergleich.“ Das OLG Hamm stellte sodann fest, dass die Verlängerung der vereinbarten Widerrufsfrist nur die Parteien selbst vereinbaren können.3 Zudem habe die unter eine Bedingung gestellte Widerrufserklärung grundsätzlich keine Auswirkungen. Denn der Widerruf eines Vergleichs sei eine sog. Bewirkungshandlung, die unmittelbar auf die Prozesslage einwirke und deshalb im Interesse der Rechtssicherheit nicht unter eine innerprozessuale Bedingung gestellt werden könne. Daher sei ein Widerruf, der unter der Bedingung erklärt werde, dass dem gleichzeitig gestellten Antrag auf Verlängerung der Widerrufsfrist nicht stattgegeben werde, grundsätzlich wirkungslos.4 In Betracht gekommen wäre jedoch analog § 140 BGB eine Umdeutung des bedingt erklärten Widerrufs in einen unbedingten Widerruf. Die Voraussetzungen eines unbedingt erklärten Widerrufs waren nach Ansicht des OLG Hamm aufgrund des fristgerechten Eingangs des Schriftsatzes des Prozessbevollmächtigten erfüllt. Jedoch hätte das Landgericht gemäß § 139 Abs. 1 und 4 ZPO zeitnah darauf hinweisen müssen und der Beklagten so Gelegenheit geben müssen, ihre bislang unwirksame, weil bedingte Widerrufserklärung durch eine unbedingte zu ersetzen. Im Hinblick auf den drohenden Ablauf der Widerrufsfrist wäre die Erteilung eines solchen Hinweises per Telefon Fax oder E-Mail angezeigt gewesen, nicht jedoch per einfacher Post.

Stellen die Parteien somit fest, dass die Widerrufsfrist nicht ausreichend lang bemessen ist, können sie eine Fristverlängerung zum Widerruf des Vergleichs vereinbaren. Das Gericht ist diesbezüglich jedoch nicht der richtige Ansprechpartner, da es nicht einseitig verfügungsbefugt ist.

Die Anzeige einer vereinbarten Verlängerung der Widerrufsfrist gegenüber dem Gericht könnte wie folgt aussehen:5 „In dem Rechtsstreit X ./. Y, Az: ___, wird mitgeteilt, dass sich die Parteien geeinigt haben, die Frist zum Widerruf des in der mündlichen Verhandlung vom _____ geschlossenen Vergleichs bis zum ____ zu verlängern. Die Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers/der Beklagten, mit welcher diese/r das Einverständnis mit der Fristverlängerung erklärt, ist diesem Schriftsatz im Original beigefügt.“

Wie die Entscheidung des OLG Hamm zeigt, können die Parteien frei über die Frist zum Widerruf eines geschlossenen Vergleichs verfügen, insbesondere bedürfen sie für die Verlängerung der Frist nicht der Mitwirkung durch das Gericht. Für die Verlängerung der Widerrufsfrist besteht im Anwaltsprozess Anwaltszwang. Hat eine Partei die Widerrufsfrist versäumt, ist eine Wiedereinsetzung nicht möglich.6 Ist der Widerruf erst einmal erklärt, ist er unwiderruflich.7

Fußnoten

1) Junker in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 127a Rn. 24.
2) OLG Hamm, Urt. v. 22.11.2012 – I-21 U 45/12.
3) Im Anschluss an BGH, Urt. v. 15.11.1973 – VII ZR 56/73 – NJW 1974, 107.
4) BGH, Beschl. v. 26.09.2007 – XII ZB 80/07.
5) In Anlehnung an Junker in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, § 127a Rn. 24.
6) Geimer in: Zöller, ZPO, § 784 Rn. 10c.
7) Geimer in: Zöller, ZPO, § 784 Rn. 10d

Erschienen im: AnwZert ArbR 7/2018 Anm. 1